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Putin Anfang Mai 2023.

© action press/Климентьев Михаил

Ukraine-Invasion Tag 446: Putins desaströses Frühjahr und die fünfte Phase des Krieges

Ukrainische Erfolge in Bachmut, Selenskyj in London zu Besuch, britische Tarn-Raketen wohl mit erstem Einsatz. Der Überblick am Abend.

Mit den zunehmenden ukrainischen Gegenstößen rund um Bachmut, aber auch an anderen Teilen der Front, hat die fünfte Phase des Krieges begonnen. Die russische Frühjahrsoffensive ist beendet und sie ist für Putin zu einem weiteren Desaster in diesem Krieg geworden. Die Ukraine übernimmt wieder das Heft des Handelns. Der Militäranalyst Konrad Muzyka stellt in seinem Ukraine-Newsletter am Montag fest (Quelle hier): „Die ukrainische Gegenoffensive hat begonnen.“

Da die Gegenoffensive in den nächsten Wochen das bestimmende Thema sein wird, lohnt an dieser Stelle ein kurzer Rückblick. Warum und wie ist Moskau mit seiner Winter- und Frühjahrskampagne so fundamental gescheitert?

  • Russland hat sein Ziel, die Ukraine dazu zu bringen, Gebiete im Osten abzutreten, nicht erreicht.
  • Um die Ukraine in die Knie zu zwingen, wollte Putin unter anderem die Energieinfrastruktur des Landes zerstören. Das ist nicht gelungen.
  • Stattdessen sind die russischen Raketenvorräte erschöpft und die Ukraine hat eine bessere Luftabwehr als zuvor.
  • In den vergangenen Monaten der russischen Frühjahrsoffensive hat Russland kein nennenswertes und schon gar kein strategisch wichtiges Gebiet erobern können.
  • Stattdessen hat Russland in dieser fruchtlosen Offensive bis zu 100.000 Soldaten durch Tod und Verwundung verloren und damit einen großen Teil derjenigen Rekruten, die im Herbst erst eingezogen wurden. Hinzu kommen die Verluste an Gerät und Munition.
  • All das fehlt jetzt, um die ukrainische Gegenoffensive auszubremsen.
  • Wohl auch wegen des ausbleibenden Erfolges haben sich die Konflikte im russischen Militär noch einmal deutlich verschärft. Kaum ein Tag vergeht, an dem Söldnerchef Prigoschin nicht über die Generäle in Moskau schimpft und so ihre Autorität untergräbt.
  • Auch an der Front kommt es zu Konflikten zwischen Einheiten der regulären russischen Armee und Wagner-Söldnern. Das untergräbt die Kampfmoral zusätzlich.
  • Dem gegenüber steht eine besser ausgerüstete und besser ausgebildete ukrainische Armee. Während Putin seine Armee in den vergangenen Monaten geschwächt hat, hat Selenskyj sie gestärkt.
  • Das Fazit: Russland ist mit seinen militärischen Plänen in den vergangenen Monaten spektakulär gescheitert.  

Russlands Scheitern markiert dabei die vierte Phase des Krieges. Die dritte war geprägt von den erfolgreichen ukrainischen Offensiven in Cherson und Charkiw im vergangenen Jahr; die zweite von der erfolgreichen russischen Offensive in den Städten Sjewjerodonezk und Lyssytschansk, die erste vom Kampf um Kiew, den Russland verlor.

Wie Russland nach diesem Frühjahr noch einmal in die Offensive kommen will, ist schwer vorstellbar. Vorerst aber ist es an der Ukraine zu zeigen, ob sie mit ihrer Offensive erfolgreicher ist.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Selenskyj trifft Sunak in England: Großbritannien sagt der Ukraine Hunderte Kampfdrohnen zu, auch bei der Frage um Kampfjet-Lieferungen soll es aus Sicht Kiews Fortschritte geben. Mehr hier.
  • Russlands Drohnenangriffe auf Munitionslager und Logistik nehmen zu: Die Ukraine meldet vermehrt Drohnenangriffe. Einer davon soll ein Munitionslager in Chmelnyzkyj zerstört haben. Angriffe wie diese sind offenbar Teil einer neuen Luftkampagne. Mehr hier.
  • Russischer Duma-Abgeordneter bestätigt Erkrankung Lukaschenkos: Der belarussische Präsident Lukaschenko wirkte zuletzt angeschlagen und ließ öffentliche Termine aus. Woran genau er erkrankt sein soll, ist nicht bekannt. Mehr hier.
  • Vermittlung im Ukraine-Krieg: China entsendet erstmals seinen Sonderbeauftragten Li Hui nach Kiew. Der frühere Botschafter in Moskau soll auch nach Russland reisen. Mehr hier.
  • Prigoschin wollte der Ukraine offenbar russische Positionen verraten: Der Wagner-Chef soll während des Kriegs bereits mehrmals Kontakt zum ukrainischen Geheimdienst gehabt haben. Hat er sogar heikle Details ausgeplaudert? Prigoschin dementiert. Mehr hier.
  • Ein Drohnenangriff auf einen strategisch wichtigen Militärflugplatz im Westen Russlands hat nach Einschätzung britischer Geheimdienste erneut Schwächen der russischen Flugabwehr aufgedeckt. Am 3. Mai hätten mehrere Drohnen das Flugfeld Seschtscha im Gebiet Brjansk attackiert und dabei vermutlich eine Transportmaschine vom Typ Antonow An-124 beschädigt, teilte das Verteidigungsministerium in London am Montag mit. Mehr im Liveblog.
  • Russland hat nach eigenen Angaben eine britische Langstrecken-Rakete vom Typ Storm Shadow abgeschossen. Das Verteidigungsministerium teilt dies erstmals in seiner täglichen Unterrichtung mit. Außerdem hätten russische Truppen von den USA gebaute Himars- und Harm-Raketen mit kürzerer Reichweite abgefangen.
  • Infolge eines russischen Raketengriffs auf die Donezker Kleinstadt Awdijiwka sind vier Menschen ums Leben gekommen. Das teilte der Leiter der städtischen Militärverwaltung, Witali Barabasch, mit, wie die ukrainische Nachrichtenagentur „Unian“ berichtet. „Zum Zeitpunkt des Einschlags der Rakete befanden sich die Menschen in einem Schutzraum, der in einem längst nicht mehr existierenden Eisenbahnkrankenhaus eingerichtet war“, sagte Barabasch. Die Zahl der Opfer sei seinen Angaben zufolge vorläufig. 
  • Die russische Führung hält nach ukrainischen Angaben an ihrem Plan fest, die seit Monaten umkämpfte Stadt Bachmut im Osten der Ukraine zu erobern. Dazu würden neue Angriffstruppen in die Außenbezirke der Stadt geschickt, teilte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maliar auf Telegram mit. 
  • Die Staats- und Regierungschefs der G7 planen auf ihrem Gipfel in Japan in dieser Woche Insidern zufolge eine Verschärfung der Maßnahmen gegen Russland. Diese zielten auf die Umgehung von Sanktionen durch Drittländer ab und sollen Russlands künftige Energieproduktion und den Handel untergraben, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. 

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