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Wasser fließt über den zerstörten Staudamm.

© dpa/stringer

Ukraine-Invasion Tag 471: Und dann kam das Wasser – das Dorf Bilozerka nach dem Staudamm-Bruch

Ukraine spricht von Beweis für Zerstörung des Damms durch Russland + Kiews Gegenoffensive laut Putin begonnen + Neue Angriffe mit Drohnen und Raketen. Der Überblick am Abend.

Überflutete Straßen, Hunderttausende ohne Trinkwasser und die Angst vor Seuchen: Auch Tage nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Region Cherson ist die Lage vor Ort noch immer dramatisch. Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig der Tat. Die Vereinten Nationen sprechen von mindestens 17.000 Menschen, die vom Dammbruch betroffen sind. 

Aber wie geht es den Menschen, die eben in jenen überschwemmten Gebieten leben? Der britische „Guardian“ hat nun ein Dorf in der ukrainischen Region besucht und mit den Anwohnern darüber gesprochen. Das Dorf Bilozerka liegt rund 13 Kilometer westlich von Cherson. 24 Stunden, so schreibt die Zeitung, habe es nach dem Dammbruch gedauert, bis die Wassermassen in dem Ort ankamen. Sie überfluteten 24 Häuser in zwei Straßen.

Wegen des steigenden Wasserpegels sahen sich viele Einwohner gezwungen, ihr Hab und Gut zurückzulassen. So wie Oleksandr. 22 Jahre hatte er in seinem Haus gelebt. Als das Wasser kam, hatte er Schutz auf dem Dachboden gesucht – bis ihm klar wurde, dass er das Haus nur schwimmend verlassen konnte. Sein Hund folgte ihm ins Wasser und ertrank. 

Die Lehrerin Julia Pawtschuk und ihre Freundin Natalia Daschkowska sind sich sicher, dass die Russen für die Zerstörung des Damms verantwortlich sind: „Es war definitiv kein Unfall“, der Damm sei schon lange vermint gewesen, sagt Daschkowska. „Sie hassen uns so sehr, sie nehmen uns nicht als Land, als Nation war“, ergänzt Pawtschuk.

Die Folgen der Überflutungen sind auch in Bilozerka deutlich sichtbar, wie der „Guardian“ schreibt. Es gibt keinen Strom, die Wasserzufuhr über die Leitungen wurde unterbrochen, Trinkwasser wird per Lkw angeliefert und verteilt. Die beiden Frauen glauben aber, dass die Situation auf der russisch besetzten Seite des Dnipro noch viel ernster ist. Sie sprechen von Gerüchten, dass russische Soldaten Evakuierungen verhindert und sich selbst die obersten Stockwerke von Gebäuden gesichert haben.

Ein bisschen Glück hatten die Anwohner von Bilozerka: Keiner kam durch die Überflutungen ums Leben oder wurde verletzt. Aber dennoch werden die Folgen des Hochwassers noch lange spürbar sein.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Die Ukraine hat nach eigenen Angaben einen Beweis dafür, dass Russland für die Zerstörung des Kachowka-Staudammes verantwortlich sei. Der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU teilte mit, er habe ein Telefonat russischer Truppen mitgeschnitten, das dies belege. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • Aus Protest gegen Marktverzerrungen durch günstige Agrarimporte aus der Ukraine haben polnische Bauern einen Grenzübergang zum östlichen Nachbarland blockiert. Der Grenzübergang Dorohusk sei derzeit für den Güterverkehr aus der Ukraine nicht passierbar, teilte die Straßenverkehrsdirektion mit. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat nach eigenen Angaben einen ehemaligen Rüstungsindustrie-Mitarbeiter wegen des Verdachts der Spionage für Deutschland festgenommen. Der Mann sei des Hochverrats angeklagt worden, teilte der FSB mit. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • Bei neuen Angriffen auf die Ukraine hat Russland das Land mit Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen angegriffen. Insgesamt seien zehn von 16 Drohnen und vier Marschflugkörper abgeschossen worden, teilten die Luftstreitkräfte am Freitagmorgen in Kiew mit. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • US-Präsident Joe Biden und der britische Premier Rishi Sunak haben beim ersten Besuch des britischen Regierungschefs im Weißen Haus die transatlantische Partnerschaft beider Länder beschworen. Dabei betonten sie auch eine langfristige Ukraine-Unterstützung. Mehr dazu hier.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, die nach der Zerstörung des Staudamms entstandene humanitäre Katastrophe noch zu vergrößern. „Russische Terroristen versuchen, die Situation, die sie mit ihrem Ökozid verursacht haben, noch zu verschlimmern“, sagte er in seiner Videoansprache. Mehr hier.
  • Das UN-Menschenrechtsbüro kann noch nicht beurteilen, ob die Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Ukraine ein Kriegsverbrechen ist. „Da die Umstände des Vorfalls nach wie vor unklar sind, ist es verfrüht, die Frage zu prüfen, ob ein Kriegsverbrechen begangen worden sein könnte“, hieß es. Mehr in unserem Newsblog.
  • Die Ukraine hat nach Darstellung des russischen Präsidenten Wladimir Putin ihre Gegenoffensive begonnen. Dies könne definitiv gesagt werden, zitiert ihn die Nachrichtenagentur RIA. Zwar hätten die ukrainischen Streitkräfte keine Erfolge erzielt, die Ukraine verfüge jedoch weiter über Offensiv-Potenzial.
  • In der Region Donezk toben nach Angaben der stellvertretenden ukrainischen Verteidigungsministerin Hanna Maljar heftige Kämpfe. „Die Lage ist angespannt in allen Bereichen der Front“, erklärt sie auf Telegram. Russland richte seinen Fokus weiterhin in Richtung der Donezker Städte Lyman, Bachmut, Awdijiwka und Marjinka. 
  • Vier Menschen sind in der Region Cherson nach ukrainischen Angaben infolge der Überschwemmungen nach dem Dammbruch ums Leben gekommen. 13 würden noch vermisst, teilt Innenminister Ihor Klymenko auf Telegram weiter mit. 2412 Menschen seien in Sicherheit gebracht worden. 
  • Der ukrainische Militärexperte Roman Svitan geht nicht davon aus, dass sich wegen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms viel an der ukrainischen Gegenoffensive ändert. Demnach könnte eine mögliche Offensive am Ostufer des Dnipro-Flusses um einen Monat verschoben werden. 
  • Moskau dürfte nach Einschätzung britischer Geheimdienstexperten die anstehende Verlängerung des Getreideabkommens als Druckmittel für die Durchsetzung seiner Interessen nutzen. Demnach behindere Russland beinahe sicher schon jetzt die Getreideexporte durch die absichtliche Verlangsamung von Kontrollen. 
  • In der südrussischen Stadt Woronesch hat es nach Angaben der Regionalbehörden vermutlich einen Drohnenangriff gegeben. Dabei seien drei Menschen verletzt worden. Der Vorfall werde untersucht, teilte Gebietsgouverneur Alexander Gussew mit. 

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