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Energodar: Das Kernkraftwerk Saporischschja ist im Hintergrund des flachen Kachowka-Stausees nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms zu sehen.

© dpa/AP/Kateryna Klochko

Ukraine-Invasion Tag 483: Minen am AKW in Saporischschja – wie weit geht Putin?

Ukraine-Geberkonferenz in London, Selenskyj äußert sich zur Gegenoffensive, Russland baut Verteidigungswall weiter aus. Der Nachrichtenüberblick.

Nach der Sprengung des Kachowka-Staudamms könnte es die nächste, die ganz große Katastrophe sein: Eine Explosion im AKW nahe der Stadt Saporischschja, des größten Kernkraftwerks in Europa. Wie der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, am Montag erklärte, sollen russische Truppen das Kraftwerk vermint haben. 

Das erinnert an Szenarien, die im vergangenen Jahr kursierten, als die Russen das AKW als Gefechtsbasis nutzten; wohl wissend, dass die Ukrainer dort nur eingeschränkt bis gar nicht zurückschießen konnten (hier der Bericht aus dem vergangenen Juli). Wochenlang kämpfte die Internationale Atomenergiebehörde um Zugang zum Kraftwerk, in dem die ukrainische Belegschaft teilweise in Geiselhaft gehalten wurde. 

Sicherlich: Einen Nachweis, dass Russland das Kraftwerk vermint hat, gibt es nicht und wird es wohl nicht geben. Falls dort etwas vorfällt, wird Moskau die Verantwortung erneut Kiew zuschieben, wie schon beim Kachowka-Vorfall. Aber darauf, dass Kremlherrscher Wladimir Putin Skrupel hat, das AKW als Waffe einzusetzen, wenn sich die ukrainischen Truppen von Nordosten dem Kraftwerk nähern, sollte man jedenfalls nicht setzen. 

Zu den möglichen Bedrohungen erklärte der österreichische Risikoforscher und AKW-Experten Nikolaus Müllner im Gespräch mit dem Tagesspiegel

„Falls es um eine Verminung des Kühlteichs gehen sollte, hätte man ein ernsthaftes Problem. Dann müsste man sich einen Notbetrieb überlegen für die Kühlung ... wenn ich die Kühlung verliere über hinreichend lange Zeit, kommt es zu einer Kernschmelze. Eventuell könnte man mit Tankwagen eine Zeit lang für Ersatz sorgen. Aber auch das müsste vorbereitet werden.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • „Langsamer als gewünscht“: Der ukrainische Präsident dämpft die Erwartungen an die Gegenoffensive. Der Krieg sei kein Hollywood-Film, Menschenleben stünden auf dem Spiel. Mehr hier.
  • Wegen falsch berechneter Kosten: US-Regierung hat sechs Milliarden Dollar zusätzlich für Ukraine-Hilfe zur Verfügung. Mehr hier.
  • Die EU-Staaten haben sich auf ein neues Paket mit Sanktionen gegen Russland verständigt. Es umfasst Strafmaßnahmen gegen weitere Personen und Organisationen, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen, aber auch ein Instrument gegen die Umgehung von bereits erlassenen Sanktionen, wie die schwedische Ratspräsidentschaft am Mittwoch in Brüssel mitteilte. Mehr im Newsblog. 
  • EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat eigenen Angaben zufolge „keinen Zweifel“ daran, dass die Ukraine eines Tages der EU beitreten wird. Das sagte die Deutsche am Mittwoch bei einer Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in London.
  • Russland hat seine Verteidigungsanlagen in den besetzten Gebieten in der Ukraine nach Informationen britischer Geheimdienste weiter ausgebaut. Vor allem in der Nähe der bereits 2014 völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel Krim seien erhebliche Anstrengungen unternommen worden, teilte das Verteidigungsministerium in London am Mittwoch mit. „Dazu gehört eine ausgedehnte Verteidigungszone von 9 Kilometern Länge, 3,5 km nördlich der Stadt Armjansk, auf der schmalen Landbrücke, die die Krim mit dem Gebiet Cherson verbindet“, betonte die Behörde.
  • Nach der Teilzerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine ist die Zahl der Todesopfer in den russisch kontrollierten Gebieten nach Angaben Moskaus auf 41 gestiegen. „Leider hat sich die Zahl der Toten auf 41 erhöht“, erklärte der von Moskau eingesetzte Verwaltungschef der Region Cherson, Andrej Aleksejenko, am Mittwoch. Am Samstag hatten die russischen Behörden noch von 29 Toten gesprochen. 
  • Die ukrainischen Truppen verzeichnen bei den Kämpfen in der südlichen Region Saporischschja nach Angaben des Militärs leichte Fortschritte. „Sie hatten teilweise Erfolg, sie gewinnen an Boden“, erklärt ein Sprecher des Generalstabs der ukrainischen Streitkräfte in einem Beitrag auf Telegram. Im Osten des Landes wiederum halte das Militär weiterhin den Vorstoß russischer Truppen zurück. Besonders heftig gekämpft werde in der Nähe von Lyman in der Region Donezk.
  • Russland hat nach eigenen Angaben drei Drohnen in der Region Moskau abgeschossen, davon mindestens zwei in der Nähe eines Militärstützpunkts. Für die Angriffe machte das russische Verteidigungsministerium am Mittwoch die Ukraine verantwortlich. Dem russischen Militär sei es gelungen, einen versuchten „Terroranschlag des Regimes in Kiew auf Standorte in der Region Moskau“ zu vereiteln. Alle Drohnen seien mit „elektronischen“ Verteidigungssystemen „neutralisiert“ worden, dabei sei niemand verletzt worden.
  • Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff wird neuer deutscher Botschafter in Russland. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin bestätigte in der Nacht zum Mittwoch, dass die russische Regierung ihre Zustimmung, das sogenannte Agrément, für die Personalie gegeben habe. „Der Dienstantritt ist für diesen Sommer vorgesehen“, sagte der Sprecher weiter.

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