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Awdijiwka: Ukrainische Soldaten bereiten eine Flugabwehrkanone vom Typ ZU-23 vor (Symbolfoto).

© dpa/Evgeniy Maloletka

Ukraine-Invasion Tag 623: Neue Strategie – Moskaus blutige „Köder“-Vorstöße in Awdijiwka

EU-Kommission empfiehlt Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine, Nationalist Girkin kritisiert russische Kriegsführung. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Russland macht weiter langsame Fortschritte, um die Stadt Awdijiwka im Donbass einzukesseln. Aber statt mit großen Verbänden und vielen Fahrzeugen auf einmal anzugreifen, wie in den ersten Wochen des Vorstoßes, haben sich die Russen nun auf eine Taktik verlegt, die eher dem Vorgehen nahe Bachmut in diesem Frühjahr entspricht. Das berichten sowohl der Sprecher der 110. ukrainischen Brigade, die Awdijiwka seit Monaten erfolgreich verteidigt als auch russische Militärblogger. 

Und wie schon in Bachmut nimmt die Taktik der russischen Generäle wenig Rücksicht auf das Leben ihrer Soldaten. Wie der ukrainische Militärsprecher Anton Kotsukon schildert, stoßen kleine Trupps von zehn bis 20 Russen auf die ukrainischen Stellungen relativ ungeschützt vor. „In dem Moment, in dem unsere Artillerie diese Infanteriegruppe ausschaltet, versuchen sie, unsere Artillerie zu entdecken“, erklärt Kotsukon. Er bezeichnete die Aktionen der Russen als „Köderspiel“.

Die neue Taktik der Russen ist eine Reaktion auf die extrem hohen Verluste vor allem an Panzern und gepanzerten Fahrzeugen zu Beginn der Offensive auf Awdijiwka. Der US-Militäranalyst Michael Kofman schätzt, dass Russland hier in wenigen Tagen soviel schweres Gerät verloren hat, wie die Ukraine in mehreren Monaten ihrer Sommeroffensive im Süden des Landes.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Die EU-Kommission empfiehlt die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine. Vor der ersten Gesprächsrunde soll das Land allerdings begonnene Reformen abschließen müssen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem „historischen Tag“. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Der inhaftierte russische Ultranationalist Igor ‚Strelkow‘ Girkin hat schwere Kritik an Moskaus Kriegsführung geübt. In einem Brief, den er aus dem Gefängnis an seine Frau schrieb, empörte er sich über die sich „verschlechternde“ Leistung des russischen Militärs auf den Schlachtfeldern in der Ukraine. Mehr hier.
  • Der Lokalpolitiker und ehemalige Milizen-Führer Michail Filiponenko wurde durch eine Autobombe in der besetzten ukrainischen Region Luhansk getötet. Das berichtet die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass. Der ukrainische „Kyiv Independent“ schreibt, dass es nicht der erste Anschlag auf ihn war. Mehr im Newsblog.
  • Siebzehn Monate nach den ersten Berichten über die Sabotage russischer Eisenbahnen und Infrastruktur durch Kriegsgegner stellen diese weiterhin „eine große Herausforderung für die russischen Behörden dar“. Das berichtet das britische Verteidigungsministerium in seinem Update. 
  • Angesichts der weiter anhaltenden Kämpfe gegen die russischen Truppen hat die Ukraine das geltende Kriegsrecht sowie die allgemeine Mobilmachung um weitere 90 Tage bis zum 14. Februar verlängert. Für beide Gesetze stimmte eine deutliche Zweidrittelmehrheit im Parlament, wie ukrainische Medien berichteten. 
  • Ukrainische Behörden gehen davon aus, dass der Tod von Major Gennadiy Chastyakow, einem persönlichen Assistenten des Oberbefehlshabers Walerij Saluschnyj, wahrscheinlich ein Unfall war. Chastyakow starb gestern bei einer Granatenexplosion im eigenen Haus. Sein Sohn wurde schwer verletzt. 
  • Die neue Regierung der Slowakei hat bereits geplante Militärhilfen für die Ukraine im Umfang von mehr als 40 Millionen Euro gestoppt. „Die Regierung stimmt dem Vorhaben für die Lieferung von militärischer Ausrüstung an die Ukraine nicht zu“, hieß es in einer auf der offiziellen Website veröffentlichten Erklärung.
  • Ein russischer Unternehmer ist mit einer Klage gegen Sanktionen der Europäischen Union gescheitert. Das Vermögen von Dmitri Masepin sei zu Recht eingefroren worden, teilten die Richter in Luxemburg mit. Masepin ist nach Angaben des Gerichts einer der führenden Chemieunternehmer in Russland.
  • In Moskau sind Chinas ranghoher Befehlshaber Zhang Youxia und Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu zu Gesprächen über den Ausbau ihrer militärischen Kooperation zusammengekommen. Auch ein Treffen mit Präsident Wladimir Putin war angesetzt, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.
  • Die ukrainischen Truppen haben russischen Berichten zufolge ihre Präsenz am südlichen Ufer des Flusses Dnipro im Gebiet Cherson ausgebaut. Es gebe Anzeichen für die Verlegung von gepanzerter Technik über den Fluss, teilte das US-Institut für Kriegsstudien unter Berufung auf russische Militärblogger mit. 
  • Die russischen Streitkräfte haben nach Angaben der ukrainischen Regierung in den vergangenen Wochen 60 Mal Energieinfrastruktur angegriffen. Zum Einsatz seien verschiedene Waffen gekommen, teilt das ukrainische Energieministerium mit.
  • Die G7-Staaten haben der Ukraine ihre anhaltende Unterstützung zugesichert. Bei ihrem Treffen in Tokio bekräftigen die Außenminister der G7 ihre Entschlossenheit, ungeachtet des Kriegs in Nahost die Ukraine weiter zu unterstützen und „scharfe Sanktionen gegen Russland zu verhängen“.
  • Kasachstan ist nach den Worten von Präsident Kassym-Jomart Tokajew bereit, mehr russisches Öl und Gas durch das Land zu leiten. „Wir sind daran interessiert, unser Transitpotenzial in vollem Umfang zu nutzen“, wurde Tokajew von der russischen Tageszeitung „Iswestija“ zitiert.

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