zum Hauptinhalt
Ein Priester betet im ukrainischen Butscha.

© IMAGO/ZUMA Wire/IMAGO/Mykhaylo Palinchak

Ukraine-Invasion Tag 642: Ukraine, Gaza und ein problematischer Vergleich

Ehefrauen russischer Soldaten kritisieren Putin. Die US-Regierung hält Verhandlungen für ein Kriegsende aktuell für „sinnlos“. Der Nachrichtenüberblick.

Kriege und vor allem Opferzahlen zu vergleichen ist eigentlich müßig. Zu unterschiedlich sind die Situationen, zu unterschiedlich das, was man mit diesen Opferzahlen verbindet. Getan wird es von Historikern, Experten und Journalisten trotzdem. Wie jetzt wieder von der renommierten „New York Times“. 

Die publizierte am Samstag einen Artikel über die Opferzahlen in Gaza (Quelle hier). Dort hieß es: „In weniger als zwei Monaten sind in Gaza mehr tote Frauen und Kinder gemeldet worden als in den zwei Jahren des Ukraine-Krieges“. Faktisch ist an dieser Aussage nichts falsch.

In den sozialen Medien kam dennoch heftige Kritik auf, weil der Satz eben auch nicht die ganze Wahrheit transportiert. Mehr als 10.000 Frauen und Kinder seien in Gaza im Zuge der Bombardierungen durch Israel getötet worden, stellte die „NYT“ unter Berufung auf Experten fest. Aber: Die genaue Zahl kennt freilich niemand, im Chaos des Krieges sind kaum seriöse Schätzungen möglich. 

Das trifft auch für die Ukraine zu. Offizielle Zahlen der Vereinten Nationen beziffern die Zahl der von Russland getöteten ukrainischen Frauen und Kinder auf rund 5000. Laut den aktuellsten Schätzungen der UN liegt die Gesamtzahl der getöteten Zivilisten bei 10.000 (Quelle hier). Aber die Experten schreiben dazu auch: „Die tatsächliche Zahl könnte deutlich höher liegen“. Allein in Mariupol könnten Zehntausende Menschen während des russischen Sturms auf die Stadt gestorben sein. Erfahren werden wir die endgültige Zahl wohl nie.

Das zeigt: Ein Vergleich der Opferzahlen in Gaza und der Ukraine schafft wenig Erkenntnisgewinn. Und selbst wenn man ihn anstellte, was sagt er uns? Dass Israels Vorgehen ähnlich rücksichtslos – gar noch rücksichtsloser – ist, als das Russlands? Dass beide Staaten sich ähnlich ins Unrecht setzen? Beides ist krude, denn was in der Ukraine vor sich geht, ist ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg; der Krieg Israels ist ein Verteidigungskrieg gegen die quasi-staatliche Terrororganisation Hamas.

Über das Leid der Zivilisten berichten sollten Medien natürlich trotzdem, auf allen Seiten. Denn dieses Leid gehört zu jedem Krieg; auch und vor allem das macht ihn so furchtbar. Ergreifend und nachdenklich machend sind diese Berichte auch ohne schiefen Vergleich. Die „New York Times“ hat ihn nach der Kritik aus dem Artikel entfernt. 

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Ehefrauen russischer Soldaten kritisieren Putin scharf. „Wir räumen das Feld erst, wenn unsere Männer zu Hause in Sicherheit sind (FÜR IMMER, eine Rotation interessiert uns nicht)“, heißt es in einem auf dem Telegram-Kanal „Putj domoi“ („Weg nach Hause“) veröffentlichten Schreiben. Kritisiert wird darin unter anderem, dass Probleme an der Front unter den Teppich gekehrt würden. Mehr dazu hier.
  • Russland verliert pro Tag mehr Soldaten denn je seit Beginn des Krieges. Die Zahl der russischen Opfer soll sich während des gesamten Novembers 2023 nach Angaben des ukrainischen Generalstabs auf durchschnittlich 931 pro Tag belaufen. Mehr dazu hier.
  • Russland macht wohl kleinere Geländegewinne bei Awdijiwka. Ukrainischen Militärbeobachtern zufolge haben sich ukrainische Einheiten aus dem südöstlich der Stadt gelegenen Industriegebiet zum Teil zurückziehen müssen. Moskaus Streitkräfte hätten „mehr als 150 Angriffe“ auf ukrainische Stellungen in Dörfern um Awdijiwka ausgeführt, erklärte die ukrainische Armee. Mehr dazu im Newsblog.
  • Anhaltende Schneestürme über dem Schwarzen Meer haben schwere Schäden angerichtet. Ukrainische Küsten, die Halbinsel Krim und der Süden Russlands waren betroffen. Auf der Krim wurden russische Schützengräben von den Wassermassen überflutet und andere Verteidigungsstellungen weggespült worden. Mehr dazu hier.
  • Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland für eine Beendigung des Kriegs zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos“. „Wir sehen keine Anzeichen dafür, dass Russland bereit ist, substanzielle, echte Friedensverhandlungen zu führen“, sagte ein Vertreter des US-Außenministeriums am Montag. Es habe den Anschein, dass Kremlchef Wladimir Putin davon spreche, „noch mindestens ein Jahr oder länger zu warten, bevor er ein Ende dieses Kriegs in Betracht zieht“.
  • Polnische Lkw-Fahrer und Bauern haben Blockaden von Grenzübergängen zur Ukraine ausgeweitet. Am Montag begannen sie damit, den Lkw-Verkehr über den vielgenutzten Grenzübergang Medyka rund um die Uhr zum Erliegen zu bringen. Die polnischen Lkw-Fahrer werfen ihren ukrainischen Kollegen vor, sie mit billigeren Frachtraten aus dem Warentransport innerhalb der Europäischen Union zu drängen.
  • Die ukrainische Regierung dringt auf mehr Flugabwehrsysteme von ihren Verbündeten. Für russische Angriffe im Winter sieht sie sichaber besser gerüstet als im vergangenen Jahr. „Wir sind besser (...) vorbereitet, weil auch unsere Partner erkannt haben, dass Flugabwehrsysteme den besten Schutz gegen diesen russischen Angriff mit Raketen und Drohnen gewährleisten“, sagte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, im Deutschlandfunk.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false