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Ein ukrainischer Soldat geht durch einen Schützengraben an der Frontlinie in der Region Donezk.

© dpa/AP/Vadim Ghirda

Ukraine-Invasion Tag 645: Moskau zwingt selbst verwundete Soldaten in den Sturm auf Schützengräben

Ärger für Pistorius nach Kiew-Besuch, Selenskyj in der Südukraine, Putin lobt Kissinger. Der Überblick am Abend.

Neben den Tausenden verletzten und getöteten russischen Soldaten, die es bei der laufenden Offensive auf Awdijiwka gibt, geraten auch zahlreiche Soldaten in Kriegsgefangenschaft. Für viele kommt das einer Erlösung gleich, wie sie erzählen. Marcus Walker, Reporter des „Wall Street Journal“ konnte mit einigen von ihnen sprechen (Quelle hier) in einem Gefängnis nahe Awdijiwka sprechen.

Einer berichtet, dass er vor allem wegen des Geldes zum Militär gegangen ist. Rund 1000 Euro verdient er dort pro Monat, vorher als Fabrikarbeiter war es ein Drittel davon. Zur Vorbereitung auf seinen Fronteinsatz hätten die Freiwilligen zwei Magazine mit einem Maschinengewehr abgefeuert, eine theoretische Einweisung in erste Hilfe bekommen und als Fitnesstraining Äste geschleppt. Dann fand er sich in den Infanterieangriffen im Donbass wieder. Meist ungeschützt rennen die Einheiten dort gegen die ukrainischen Gräben an. Manche sind auch in gepanzerten Fahrzeugen unterwegs, die aber häufig in den Minenfeldern hängen bleiben. 

Die meisten gefangenen Soldaten sagen, dass sie die Orientierung verloren und in Gefangenschaft gerieten. Sich zu ergeben, ist in Russland ein Verbrechen. 

Andere Soldaten, die vergangenes Jahr bei der großen Rekrutierungswelle eingezogen wurden, erzählen, dass sie nur die Wahl zwischen dem Krieg, einer Geldstrafe oder Gefängnis gehabt hätten. Sie zeigten sich von den hohen Opferzahlen in den eigenen Reihen überrascht, in Russland würde man darüber nichts erfahren. Was sie auch erzählen: Dass selbst verwundete Soldaten zum Sturm auf die ukrainischen Schützengräben geschickt werden, was in der Truppe für große Verstimmung sorge. Wer Befehle verweigert, geht ins Gefängnis oder wird erschossen. 

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Putin lobt verstorbenen Kissinger als „herausragenden Diplomaten“: Der ehemalige US-Außenminister verstarb am Mittwoch im Alter von 100 Jahren. Der russische Präsident hob die „pragmatische außenpolitische Linie“ Kissingers hervor. Mehr hier.
  • Bei der Suche nach Einsparungen im Haushalt gerät das Bürgergeld an Ukrainer in den Blick. Sieben Milliarden Euro sind es 2024. Die Fraktionsgeschäftsführerin der SPD bezweifelt den Sinn von Kürzungen. Mehr hier.
  • Baerbock sorgt sich wegen schwindender Aufmerksamkeit für Ukraine: Derzeit dominieren Bilder aus Nahost die Nachrichten. Könnte das für die von Russland angegriffene Ukraine zu einem Problem werden? Die deutsche Außenministerin nennt die Entwicklungen „fatal“. Mehr hier.
  • Die tiefe Krise der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist aus Sicht von Russlands Außenminister Sergej Lawrow allein die Schuld westlicher Staaten. „Die OSZE wird zu einem Anhängsel der Nato und der Europäischen Union. Die Organisation steht am Rande des Abgrunds“, sagte er am Donnerstag bei dem Jahrestreffen der Organisation in Skopje. Die „westliche Politikelite“ habe sich für die östliche Nato-Erweiterung und somit gegen die OSZE entschieden, so Lawrow. Mehr im Newsblog.
  • Außenministerin Annalena Baerbock hat vom russischen Präsidenten Wladimir Putin den sofortigen Stopp des Angriffskriegs gegen die Ukraine verlangt. „Stoppen Sie das unsägliche Leid, das Sie über Millionen von Menschen bringen“, forderte die Grünen-Politikerin am Donnerstag bei der Ministerkonferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist ins Frontgebiet im Gebiet Charkiw in der Ostukraine gereist. „Hier sind Kommandeure anwesend, die im Abschnitt Kupjansk das friedliche Leben in der Ukraine, im Gebiet Charkiw verteidigen“, sagte Selenskyj am Donnerstag gemäß einer Mitteilung in einem Kommandopunkt. Der Präsident erinnerte an die erlittenen Verluste. „Alle wissen, dass dies der höchste Preis ist und daher bitte ich Euch darum, auf Euch, auf Eure Kameraden, Offiziere, Soldaten zu achten“, sagte er. Anschließend verlieh er Auszeichnungen an mehrere Kommandeure. 
  • Die Europäische Union sollte laut EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bei der Planung ihrer zukünftigen Strategie für die europäische Rüstungsindustrie die militärischen Bedürfnisse der Ukraine berücksichtigen. „Unsere Strategie kann nur vollständig sein, wenn sie auch die Bedürfnisse der Ukraine und ihre industriellen Kapazitäten berücksichtigt“, sagt von der Leyen in einer Rede auf der Jahreskonferenz der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA).
  • Bei den nächtlichen russischen Raketenangriffen in der Region Donezk ist ein Mensch getötet worden, ergänzen örtliche Behörden frühere Angaben des ukrainischen Innenministeriums. Retter hätten eine Leiche unter Trümmern gefunden. Vier Menschen seien immer noch verschüttet. Bei den Angriffen seien in der Nacht zehn Menschen verletzt worden, darunter vier Kinder. Infolge eines weiteren russischen Raketenangriffs sind in und um Pokrowsk im ostukrainischen Gebiet Donezk offiziellen Angaben zufolge mindestens zehn Menschen verletzt worden, darunter vier Kinder. Mindestens fünf weitere Zivilisten wurden am Donnerstagmorgen noch unter den Trümmern eines Hauses vermutet, wie der ukrainische Innenminister Ihor Klymenko auf Telegram schrieb.
  • In Russland ist ein Mann zu zehn Tagen Haft verurteilt worden, weil er „Nein zum Krieg“ in den Schnee in Moskau geschrieben hat. Der Mann wurde einem Gerichtsdokument zufolge von der Polizei entdeckt, wie er die verbotene Parole mit seinen Fingern vor einer Eislaufbahn im Moskauer Gorki-Park in den Schnee schrieb. 

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