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Dieses vom Presseamt des ukrainischen Präsidenten via ZUMA herausgegebene Bild zeigt Wolodymyr Selenskyj (2.v.l.), Präsident der Ukraine, wie er während eines Besuchs in einem Kommandoposten an der Front über die Kriegssituation informiert wird.

© dpa/Pool

Ukraine-Invasion Tag 646: Kiew plant Abwehrbollwerk – Selenskyj reagiert auf die Realität an der Front 

Moskau will Krieg wie bisher fortsetzen, Anschlag auf Eisenbahn in Sibirien, neues Verfahren gegen Kreml-Kritiker Nawalny. Der Überblick am Abend.

An den vielen hundert Kilometern Frontlinie in der Ukraine bewegt sich seit Wochen kaum etwas. Und das könnte für viele Monate so bleiben, glaubt man Experten und den Einschätzungen des ukrainischen Militärs. Kiew, so sieht es derzeit aus, wird wohl wieder für einige Zeit damit beschäftigt sein, dass Russland keine neuen Gebiete erobern kann. Von der Rückeroberung großer Teile der russisch besetzten Gebiete ist keine Rede mehr. 

Dazu passt, dass der ukrainische Präsident Wolodymr Selenskyj nun angeordnet hat, die Befestigungsanlagen zu stärken. Vor allem im Norden und Osten der Ukraine soll das geschehen. Selenskyj will die Armee und die Privatwirtschaft damit beauftragen, bis zu drei Verteidigungslinien von der Front bis weit ins Hinterland anzulegen. Dazu muss man wissen, dass die bestehenden ukrainischen Verteidigungsanlagen schon außergewöhnlich stark sind, was sich derzeit in den Kämpfen um die Stadt Awdijiwka zeigt. Die Russen schaffen es nur unter extrem hohen Verlusten langsam vorzurücken. 

Wie undurchdringlich selbst für eine vergleichsweise frisch ausgerüstete Armee gut konstruierte Verteidigungszonen sein können, haben die Russen im Sommer bewiesen, als sie die ukrainische Offensive erfolgreich ausbremsten. Für die Ukrainer wird es nun auch darum gehen, die im vergangenen Jahr zurückeroberten Gebiete zu sichern. Kiews Militärplaner haben dabei wahrscheinlich auch im Hinterkopf, dass sich eine Verteidigung in befestigten Stellungen tendenziell mit weniger Soldaten und Gerät durchführen lässt, was die aktuellen Probleme Kiews bei Personalknappheit und Knappheit bei Munition lindern könnte.

Interessant: Selenskyj will auch die Grenzregionen zu Russland und den Raum Kiew besser befestigen lassen. Offensichtlich schließen die Offiziellen einen neuerlichen Angriff Russlands auch von Belarus und im Norden nicht aus. Zuletzt denkt Selenskyj vielleicht auch schon an den Herbst 2024 und einen möglichen Wahlsieg Donald Trumps in den USA. Spätestens dann wäre klar, dass die Ukraine nicht mehr auf Hilfe aus den USA zählen kann – und das Halten der aktuellen Frontlinie wohl die beste Option bis zu einem möglichen Friedensschluss ist.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Ukrainische Soldaten haben Filter-Probleme mit US-Abrams-Panzern: Die Panzer aus den USA gelten als große Hilfe für die ukrainischen Soldaten. Doch die tägliche Handhabe ist offenbar nicht ohne Tücken. Mehr hier. 
  • „Sie leiten alle drei Monate ein neues Strafverfahren gegen mich ein“: Der russische Kreml-Kritiker Alexej Nawalny berichtet in sozialen Medien von neuen Strafanzeigen gegen sich. Der 47-Jährige verbüßt bereits eine insgesamt mehr als 30 Jahre lange Haft. Mehr hier.
  • Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban lehnt EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine weiterhin ab und schlägt stattdessen Gespräche über eine „strategische Partnerschaft“ vor. „Es lohnt sich nicht, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, weil wir die Frage, welche Konsequenzen eine Mitgliedschaft der Ukraine hätte, nicht beantworten können“, sagte Orban am Freitag in einem Radio-Interview. Mehr hier.
  • Die Nachrichtenagentur Reuters hat von einer ukrainischen Quelle erfahren, dass der ukrainische Geheimdienst einen Sprengstoffanschlag auf eine Eisenbahnschiene in Sibirien verübt habe. Ort des Anschlags sei ein Tunnel in der sibirischen Region Burjatien gewesen – mehr als 4.000 Kilometer von der Grenze der Ukraine entfernt. Russland nutze die Verbindung für den militärischen Nachschub, sagte die ukrainische Quelle. Vier Sprengladungen seien demnach nachts in dem Tunnel explodiert, als ein Güterzug auf der Strecke gefahren sei.
  • Russland arbeitet nach britischen Angaben verstärkt am Bau von unbemannten Kamikaze-Schiffen für den Einsatz im Angriffskrieg gegen die Ukraine. Jüngst habe der Chef der Rüstungsfirma KMZ, Michail Danilenko, angekündigt, dass Drohnenboote im Rahmen der „militärischen Spezialoperation“, wie der Krieg in Russland genannt wird, getestet werden sollen, um 2024 dann eine Serienproduktion aufzunehmen, teilte das britische Verteidigungsministerium am Freitag mit. 
  • Russland neigt nach den Worten von Außenminister Sergej Lawrow nicht zu einer Kursänderung in der Ukraine. Es gebe keine Anzeichen, dass die Regierung in Kiew sich in Richtung einer politischen Lösung bewege, sagt Lawrow vor der Presse. Für Russland gebe es keinen Anlass, die Ziele seines „militärischen Sondereinsatzes“ in der Ukraine zu ändern.
  • Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine neue Betreiberstruktur des Flughafens Pulkowo in St. Petersburg angeordnet und damit den großen deutschen Anteilseigner Fraport aus dem Geschäft gedrängt. Fraport hatte 25 Prozent der bisherigen Betreibergesellschaft gehalten. Putin begründete den Schritt mit „unfreundlichen Handlungen einiger ausländischer Staaten und internationaler Organisationen“, wie aus seinem in der Nacht zum Freitag veröffentlichten Dekret hervorgeht.
  • Russland hat nach Angaben Kiews in der Nacht zum Freitag erneut massive Luftangriffe auf den Süden und Osten der Ukraine ausgeführt. Die russische Armee habe zwei Raketen und 25 Drohnen iranischer Bauart vom Typ Schahed angefeuert, teilte die ukrainische Luftwaffe mit.
  • Durch die seit mehr als 21 Monaten andauernde russische Invasion sind ukrainischen Angaben zufolge in dem angegriffenen Land mehr als 170.000 Gebäude beschädigt oder zerstört worden. Das erklärte die Vorsitzende des Parlamentsausschusses für regionale Entwicklung und Stadtplanung in Kiew, Olena Schaliuk, wie die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform am frühen Freitagmorgen berichtete.

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