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UNRWA-Mitarbeiter in der Stadt Jenin im Westjordanland.

© AFP/JAAFAR ASHTIYEH

Update

UNRWA-Skandal wohl größer als gedacht: Israel wirft 13 Mitarbeitern Beteiligung an Hamas-Massaker vor

Einem Bericht zufolge sollen insgesamt 1200 Mitarbeiter des UN-Palästinenserhilfswerks Verbindungen zur Hamas haben. Israel sieht 13 direkt in den Terrorangriff vom 7. Oktober involviert.

| Update:

Das Ausmaß der mutmaßlichen Verbindung von Mitarbeitern des UN-Palästinenserhilfswerks zu Terroristen im Gazastreifen ist einem Medienbericht zufolge größer als bisher angenommen. Nicht nur sollen wie bisher bekannt zwölf von ihnen bei dem Hamas-Terrorangriff am 7. Oktober in Israel mitgemacht haben. 

Rund zehn Prozent aller rund 12.000 im Gazastreifen beschäftigten Mitarbeiter des Hilfswerks UNRWA hätten Verbindungen zur Hamas oder dem Islamistischen Dschihad, berichtete die US-Zeitung „Wall Street Journal“ am Montag unter Berufung auf Geheimdienstberichte.

Etwas später nannte Israel Details zur mutmaßlichen Verwicklung mehrerer Beschäftigter des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA in das Hamas-Massaker vom 7. Oktober.

Insgesamt seien mindestens 13 Mitarbeiter der Organisation an den Terroranschlägen beteiligt gewesen, sagte Israels Regierungssprecher Eylon Levy am Dienstag. Zuvor war von zwölf Beschäftigten die Rede.

Die Angaben seien aber noch nicht unbedingt vollständig, so Levy. „Es werden noch mehr Erkenntnisse ans Licht kommen.“ Zehn der 13 Beschuldigten sind den Angaben zufolge Mitglieder der Hamas, zwei des Islamischen Dschihads, einer gehöre keiner Terrororganisation an.

Sechs der mutmaßlich am Massaker Beteiligten seien am 7. Oktober auch auf israelischem Gebiet gewesen. Levy zufolge waren insgesamt vier UNRWA-Mitarbeiter an der Entführung von Israelis beteiligt, zwei davon auch auf israelischem Territorium.

Mindestens zwei israelische Geiseln, die inzwischen von der Hamas freigelassen wurden, hätten ausgesagt, in Häusern von Lehrern des UN-Hilfswerks festgehalten worden zu sein. Levy warf dem Palästinenserhilfswerk „Komplizenschaft mit der Hamas“ vor.

Israel spricht von „Hort für radikale Ideologie der Hamas“

Die Vorwürfe gegen die Beschäftigten wegen mutmaßlicher Beteiligung am Hamas-Massaker hatten weltweit für Empörung gesorgt. Als Reaktion stellten zahlreiche Staaten ihre Zahlungen an das Hilfswerk vorübergehend ein, darunter Deutschland, die USA, Großbritannien und Frankreich.

„Das Problem der UNRWA sind nicht nur ‘ein paar faule Äpfel’, die in das Massaker vom 7. Oktober verwickelt waren“, wurde ein hoher israelischer Regierungsbeamter zitiert. „Die Institution als Ganzes ist ein Hort für die radikale Ideologie der Hamas.“ 

Eine Einrichtung des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) in der Stadt Jenin im besetzten Westjordanland am 30. Januar 2024.
Eine Einrichtung des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) in der Stadt Jenin im besetzten Westjordanland am 30. Januar 2024.

© AFP/Jaafar Ashtiyeh

Die Informationen in den Geheimdienstberichten basierten unter anderem auf Mobilfunkdaten, Verhören von gefangenen Hamas-Kämpfern und auf Dokumenten, die bei getöteten Kämpfern sichergestellt worden seien, berichtete das „Wall Street Journal“. Die US-Regierung sei über das Geheimdienstdossier unterrichtet worden, hieß es.

Von den zwölf UNRWA-Mitarbeitern, die an dem Überfall der Hamas am 7. Oktober beteiligt gewesen sein sollen, seien sieben Grund- oder Sekundarschullehrer, darunter zwei Mathematiklehrer, zwei Arabischlehrer und ein Grundschullehrer, berichtete die Zeitung.

Ex-Chef: Zeitpunkt der Berichte politisch bestimmt

Der frühere Chef des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Matthias Schmale, hält den Zeitpunkt der kritischen Berichte über Mitarbeiter der Organisation für politisch motiviert. Die Berichte seien kurz nach der Verkündung des Urteils des Internationalen Gerichtshofs aufgekommen, sagte er am Dienstag im Deutschlandfunk.

Matthias Schmale, früherer Chef des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA.
Matthias Schmale, früherer Chef des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA.

© REUTERS/Mohammed Salem

Schmale sagte, es sei durchaus möglich, dass Mitarbeiter beteiligt gewesen seien, die Berichte überraschten ihn nicht. „Aber der Zeitpunkt kommt mir doch sehr politisch bestimmt vor“, betonte er.

Schmale hält es nicht für wahrscheinlich, dass etwa zehn Prozent aller rund 12.000 im Gazastreifen beschäftigten Mitarbeiter des Hilfswerks Verbindungen zur Hamas oder dem Islamistischen Dschihad haben sollen. Zwar gebe es unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Leute, die für Hamas Sympathien hätten.

„Aber wir haben auch in meiner Zeit immer sehr genau beobachtet, wie Leute arbeiten, wie sie sich verhalten, ob sie sich Uno-Werten konform verhalten und Maßnahmen ergriffen, wenn wir verstanden haben, dass das nicht der Fall ist.“

Damals habe man im Zeitraum von fast vier Jahren acht Leute „vor die Tür gesetzt“ - nicht nur wegen Verbindungen zur Hamas, sondern wegen Verhaltensweisen, die nicht mit den Werten der Vereinten Nationen übereinstimmten, sagte Schmale. Das sei eine wesentlich kleinere Prozentzahl. „Ich halte das, was jetzt im „Wall Street Journal“ erschienen ist, für total übertrieben“.

Volker Beck: „Verschwendung von Steuergeldern“

Israel hatte dem Hilfswerk die Informationen zu den fraglichen Mitarbeitern übermittelt. Sie wurden entlassen, Ermittlungen wurden eingeleitet. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich entsetzt und drohte den Betroffenen mit strafrechtlichen Konsequenzen.

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck, wirft der Bundesregierung vor, die Überprüfung der Gelder nach Palästina nicht ergebnisoffen geführt zu haben. Die Prüfung, die zur Freigabe der Zahlungen an das Palästinenserhilfswerk UNRWA im November führten, sei „leichtfertig“ und das Ergebnis „politisch vorgegeben“ gewesen.

Er hat den Bundesrechnungshof eingeschaltet und fordert eine Überprüfung der Zahlungen der Bundesregierung durch den Rechnungshof. In einem Brief habe er den Präsidenten, Kay Scheller, darum gebeten. Langfristig fordert er, die Zahlungen einzustellen. Die Zahlungen seien eine „Verschwendung von Steuergeldern.“ (höh/dpa/Tsp)

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