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Zusammenstoß. „Guyot“ (vorne) spießt „11th Hour“ auf. Einen Unfall wie diesen hat es mit den extrem empfindlichen und teuren Imoca-Yachten bislang nicht gegeben (Video-Ausschnitt).

© Ocean Race / Guyot Environnement Team Europe

Kollision beim Ocean Race: Spitzenreiter wird um Siegchancen gebracht

Zum Auftakt der finalen Etappe vor Den Haag prallen „11th Hour“ und „Guyot“ ineinander. Der Schaden ist erheblich. Im Rumpf des US-Bootes klafft ein großes Loch. Wie es weitergeht, ist offen.

Beim Ocean Race ist es zu einer schweren Kollision zwischen „11th Hour“ und „Guyot“ gekommen. Menschen kamen nicht zu Schaden, doch ist das Ausmaß der Havarie erheblich. Beide Imoca-Yachten kehrten umgehend in den Hafen von Den Haag zurück.

Zu dem Vorfall kam es kurz nach dem Start zur finalen Etappe des seit sechs Monaten andauernden Segelrennens um die Welt. Bei 24 Knoten Wind gingen die fünf Racer auf die Strecke nach Genua, wo das Rennen Anfang Juli enden soll. „Holcim-PRB“ erwischte neben „11th Hour“ den besten Start, so dass sich das dominante Duo dieses Ocean Race schon sehr früh wieder an die Spitze setzte - mit leichten Vorteilen für die „Holcim“-Crew um Skipper Benjamin Schwartz.

Benjamin Dutreux (vorne) registriert schockiert, was sein Fehler angerichtet hat. Die Bordwand von „11th Hour“ hat ein Loch und ist an mehreren Stellen aufgeplatzt.

© Felix Diemer / GUYOT environnement - Team Europe / The Ocean Race

Da zum Auftakt der Ozean-Etappe ein Pacours in Landnähe absolviert wird, bei dem ein Rechteck aus vier Bojen zweimal umrundet werden muss, lieferten sich die Teams einen packenden Kampf auf engem Raum um gute Ausgangspositionen.

Was wäre jetzt fair?

Die erste Runde war noch nicht vollendet, da geschah es: „Guyot“-Skipper Benjamin Dutreux übersah die in Lee von ihm wendende „11th Hour“, und als sie in seinem Blickfeld auftauchte, war es für ein Ausweichmanöver zu spät. Zwar leitete Charlie Enright noch ein ,Manöver des letzten Augenblicks’ ein, um das Unheil abzuwenden, doch der Bug von „Guyot“ bohrte sich mit Wucht in die Seite des US-Bootes, hinterließ ein klaffendes Loch. Der Bugspriet schnitt durch mehrere Kammern ins Innere des Konkurrenten, bevor er abknickte.

Der Moment der Kollision, von einem Hubschrauber gesehen.

© Ocean Race

Der Schock war den Seglern auf beiden Booten anzusehen. „Bei uns gab es einen Voll-Blackout“, sagte das deutsche Teammitglied von „Guyot“, Robert Stanjek, anschließend. Er selbst sei unter Deck gewesen und habe nur den Aufprall gehört. „Für uns ist das Rennen hier zuende“, fügte er hinzu, versprach aber, alles zu tun, was nötig sei, damit „11th Hour“ das Rennen zu einem „versöhnlichen Abschluss“ bringen könne.

Deren Skipper Charlie Enright, der das Rennen seines Lebens im dritten Anlauf endlich gewinnen wollte, traten Tränen in die Augen. Am Boden zerstört auch der Rest seiner erfahrenen Mannschaft. Die Aussichten, das Ocean Race zu gewinnen, scheinen zerstört. „Dieses Rennen fordert Menschen auf verschiedene Weisen heraus, körperlich und mental. Und das jetzt ist ein Test für unser Team. Sowas passiert.“

Drei Punkte sind zu viel.

Enright hatte selbst schon mal eine Kollision verübt. Und zwar mit demselben Boot, der von Alex Thomson übernommenen „Ex-“Hugo Boss“, die ihn jetzt gerammt hat. Beim Start zur 2. Etappe des Europe Race vor zwei Jahren hatte Enright ein Begleitboot mit dem Foil touchiert. Die Möglichkeiten, bei hohem Tempo den Überblick zu behalten, sind insbesondere auf Imocas älteren Typs sehr begrenzt.

Während im Hafen von Den Haag Schadensbegutachtung betrieben wird, segelt der Gesamtzweite „Holcim-PRB“ unbedrängt Richtung Süden. Doch hier sind alle Hoffnungen auf den Sieg zerstoben. Drei Punkte trennen das Schweizer Boot vom Triumph über die Amerikaner, die zuletzt jeder Etappe für sich entschieden hatten. Doch da letztere als Geschädigte einen Anspruch auf Wiedergutmachung erheben können, reicht die Differenz nicht aus. Auch die „Malizia“ ist damit um die Chance gebracht, sich auf den zweiten Platz zu verbessern.

Durchbohrt. Der zerstörte Rumpf von „11th Hour“.

© imago/Andreas Beil/imago/Andreas Beil

Es ist völlig unklar, wie das Rennen nach einem solchen Zwischenfall fair fortgesetzt werden kann. Obwohl Benjamin Dutreux die Schuld auf sich genommen hat, wird der letzte Akt des Ocean Race nun am Verhandlungstisch entschieden. Es findet seinen Abschluss gewissermaßen auf zwei Bühnen: vor dem Protestkomitee und auf dem Meer. Wobei letztere keine Rolle mehr spielt.

Ob es besser wäre, das Rennen abzubrechen und nach erfolgten Reparaturen erneut zu starten?

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