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Das Düsseldorfer Prinzenpaar, Prinz Dirk II. und Venetia Uasa, und Jecken feiern in der Wagenbauhalle das Richtfest für die Wagen des Rosenmontagszuges.

© dpa/Federico Gambarini

200 Jahre Karneval: Mehr als Party

Die Geschichte der Rosenmontagsumzüge ist voller Widersprüche. Auf der Straße wird man davon nur wenig erleben.

Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

Über den rheinischen Karneval gibt es an sich nur drei Meinungen: Man muss vor diesem Ausbruch organisiert-alkoholisierter Fröhlichkeit fliehen; man kann sie als Mitmensch dulden – oder schlichtweg mitmachen, kölnisch Alaaf, Düsseldorfisch Helau rufen und mitgrölen: „Ich bin kein Mann für aaaaine Nacht“.

Heute vor 200 Jahren fand der Rosenmontags-Umzug In Köln zum ersten Mal statt. Man hätte erwartet, dass das groß gefeiert wird. Aber die zum Jubiläum angekündigte Ausstellung ist verschoben auf irgendwann. Dabei geht die Karnevals-Geschichte weit über den Spaß hinaus, von Süßkram beworfen zu werden.

Sie ist voller Widersprüche, hat begonnen 1823 mit dem Widerstand der rheinischen, mehrheitlich katholischen Bevölkerung gegen die Herrschaft des evangelischen, ostelbischen Preußen, das nach 1815 entgegen allen Versprechungen die Presse-, Rede- und Forschungsfreiheit einschränkte, um die selbstbewussten Bürger auf Spur zu bringen. Die Verhohnepiepelung des preußischen Uniform- und Marschierkults und der Obrigkeiten war da eine Protestform. Die Genehmigung dieser Umzüge war aber auch ein Mittel des Staats, durch kontrollierten Anarchismus Druck aus dem Kessel abzulassen.

Lange ist die Legende widerlegt, der Karneval habe den Nazis widerstanden – tatsächlich waren viele Karnevalsvereine schon vor 1933 antisemitisch verseucht, dann blitzschnell „judenfrei“. Proteste gegen die Selbstunterwerfung blieben rar, umso schneller installierten sich nach 1945 die Karnevalsvereine wieder als Träger der neuen Demokratie. Berüchtigt sind ihr enger Lokalpatriotismus und die nicht nur moralische Korruption – andererseits dienten sie immer auch der Integration in den Kölner Klüngel, seien es aus Polen oder der Türkei Eingewanderte, Schwule und Lesben oder sogar Evangelische.

Karneval ist also pure Politik. Die offensive Unterstützung von Freiheitskämpfen wie dem der Ukraine gegen das imperialistische Russland hat allerdings Seltenheitswert, immerhin wurde im vergangenen Jahr der Rosenmontagsumzug zu einer großartigen in Blau-Gelb versinkenden Unterstützungsdemo. Doch im Allgemeinen soll der Karneval die Machtverhältnisse bestätigen und stabilisieren, indem er sie für einige Tage umkrempelt. Vielleicht sind diese Tage deswegen so eng mit Alkohol verbunden – der lässt die Konturen noch mehr verschwimmen. Der klare Blick auf den Karneval dagegen stört nur - wann sollte doch das seit Jahren geschlossene Karnevals-Museum wieder eröffnet werden?

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