zum Hauptinhalt
Das Ae im Bandnamen steht für „avatar experience“ – auf der Bühne stehen Karina, Giselle, Winter und Ningning aber schon noch selbst.

© IMAGO/UPI PHOTO

Aespa live in Berlin: K-Pop-Euphorie mit Killerblick

Die südkoreanische Girlgroup Aespa mischte bei ihrem ausverkauften Konzert in der Columbiahalle ikonische TikTok-Moves mit verstörenden und fantastischen Momenten.

Von Daniel Koch

Karina, Giselle, Winter und Ningning klingen fast ein wenig traurig, als sie gegen Ende des Konzerts mit dem Publikum sprechen. Die vier Frauen Anfang 20 stehen nebeneinander auf der Bühne, reden auf Koreanisch und werden live ins Deutsche übersetzt. Es sei so schön, dass sie ihre deutschen Fans endlich treffen könnten. Aber: „Wir hoffen, dass wir bald wiederkommen und dann in einer größeren Location spielen.“

Wer an diesem Abend dabei gewesen sei, wäre dann beim nächsten Konzert ein „O.G.“. Eine Formulierung, die aus dem Rap kommt, wo sie bedeutet, dass man ein „Original Gangster“ ist und schon von Anfang an dabei war. Nun ist es wahrlich keine Schande, wenn man „nur“ die Columbiahalle sehr locker ausverkauft. In K-Pop-Maßstäben ist es allerdings schon fast ein Makel, denn Bands wie Aespa wurden eigentlich gegründet, um Stadien und Arenen zu bespielen.

Der Andrang und die Stimmung sind wie bei den meisten K-Pop-Konzerten trotzdem beachtlich. Als ein älteres Ehepaar die lange Schlange vor der Halle passiert, um zum Pretenders-Konzert im Club nebenan zu gelangen, raunt der Mann seiner Frau zu: „Das ist ja ... das ist ja … das ist ja Wahnsinn. So was habe ich ja selbst bei den Stones damals nicht gesehen.“ Ein Vergleich, der zwar musikalisch nicht passen mag, aber man weiß gleich, was er meint: Der euphorische Buzz, die aus den Gesichtern strahlende Vorfreude, die wilden und cuten Outfits dieser jungen Menschen – all das ergibt einen Anblick, der durchaus an „Beatlemania“ oder „Stones Crazyness“ denken lässt.

Aespa starteten ihrer Karriere inmitten der Pandemie im Herbst 2020 mit der Single „Black Mamba“. Das futuristische, fett produzierte Video knackte gleich mal einen Rekord und war das Video einer K-Pop-Newcomer-Band, das am schnellsten 100 Millionen Plays erreichte. Sie brauchten 52 Tage dafür, was sie mit ihrer zweiten Single „Next Level“ dann noch mal um 20 Tage unterboten. Auch die Single „Savage“ war ein fetter, düsterer K-Pop-Banger.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Aespa, die bei SM Entertainment – eine der vier großen K-Pop-Produktionsfirmen – gecastet wurden, sollten von Anfang an auch die virtuelle Welt bespielen. Das „ae“ steht für „avatar experience“ – und Karina, Giselle, Winter und Ningning haben jeweils digitale Avatare, die in den frühen Videos eine große Rolle spielten. Aespa und ihre Avatare sind darin so etwas wie Cyberpunk-Kämpferinnen, die sich einer finsteren Macht stellen. Games und neue, digitale Verbindungsmöglichkeiten zwischen Fans und Band wurden damals in Aussicht gestellt. Leider scheint es, als hätten Band oder Produktionsfirma irgendwann das Interesse an diesem guten, toughen Konzept verloren.

Aber zurück zur Bühne: Aespa haben ganz offensichtlich Spaß bei der Arbeit, was man fairerweise nicht jedem K-Pop-Konzert ansieht. Der Gesang ist nur in Teilen komplett live, meistens bei den langsameren Stücken, bei denen die Choreografie nicht den Atem raubt. Oft werden Aespa von weiteren Tänzerinnen begleitet. Die vier erzeugen intensive Bilder, wenn sie zum Beispiel in „Black Mamba“ plötzlich in die Hocke gehen, wie einst Karate Kid oder bei „Savage“ an einer Stelle zum Killerblick mit dem Finger wackeln, als würden sie sagen: „Bis hier hin und nicht weiter.“

Das sind ikonische Songmomente, millionenfach auf TikTok geteilt oder performt – und hier entsprechen laut bejubelt. Während diese Songs und „Next Level“ die Highlights des Sets sind, klingen Lieder wie "Yeppi Yeppi“ und „Yolo“ nach reinem Kirmes-Techno, aufgesexte Nummern wie „Spicy“ werden gar in Schuldmädchen-Uniformen vorgetragen und auch die meisten Balladen sind nicht so gut wie das wirklich fantastische, bittersüße „Life’s Too Short“.

So bleibt der Eindruck des Aespa-Abends ein gemischter, was weniger an den Performerinnen liegt und schon gar nicht an den Fans. Die sind es nämlich, die mit ihrer Euphorie sämtliche Zweifel wegkreischen, -jubeln und -singen. K-Pop kann innerhalb von nur wenigen Minuten zugleich cringy, zukunftsweisend, verstörend und fantastisch sein. In solchen Momenten hilft immer: Einfach von den Fans mitreißen lassen. Dann findet man sich nämlich trotzdem plötzlich fröhlich grinsend „Yolo Yolo“ singend in der Menge, wohl wissend, dass man gerade wieder diesem Zuckerschock namens K-Pop erlegen ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false