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Ja, watt ham wa denn da? Kunsthistorikerin Heide Rezepa-Zabel und Moderator Horst Lichter in der ZDF-Sendung "Bares für Rares".

© Frank W. Hempel/dpa

Unsere Guilty Pleasures (2): Auf Du mit dem Horst

Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Aber schreiben. In der Serie Guilty Pleasures schauen wir in unsere Kitschecken. Teil 2: „Bares für Rares“.

Keine Entschuldigung, bloß ein Erklärungsversuch vorab: Ich wuchs in einem 1723 gebauten Fachwerkhaus am Fuße eines Schlosses auf, als Kind begeisterte mich „Schliemanns Erben“ und mein Onkel war Archäologe und Museumsdirektor. Angesichts meines Faibles für Burgruinen munkeln im Freundeskreis manche, ich sei in der falschen Epoche geboren.

Die ZDF-Trödelshow „Bares für Rares“ ist ein Produkt des 21. Jahrhunderts und allgegenwärtig. Clips des erfolgreichsten deutschen Nachmittagsformates werden auf Youtube millionenfach geklickt. Idealtypisch sieht das so aus: Die 72-jährige Erna Schabrowksi schleppt eine potthässliche Porzellanfigur herbei. Vor 30 Jahren auf einem Trödelmarkt für 50 Mark erworben oder von einer Großtante mütterlicherseits geerbt. Jetzt verstaubt sie in der Vitrine. Schnitt.

Auftritt des Moderators Horst Lichter. Rheinische Frohnatur mit gezwirbeltem Schnurrbart und gespieltem Unglauben: „Ja, watt ham wa denn da? Janz watt Feines.“ Nach dem obligatorischen „Ich darf doch Du sagen?“ erläutert die Erna, dass sie den Kaufpreis gerne wiederhätte. Ein anwesender Sachverständiger reißt die Augen auf. „Gute Frau, das ist Meissner Barock-Porzellan vom Feinsten, erste Wahl, sehr gefragtes Motiv und unbeschädigt. Dafür kriegen sie 2500 Euro.“ Erna lächelt verunsichert und kriegt „dat Händlerkärtschen“.

Dann der legendäre Bieterwettkampf. Ludwig Hofmaier, genannt „Handstand-Lucki“, weil er von Regensburg nach Rom auf Händen lief, setzt das Anfangsgebot („Des is oafach zua schee fia de Schublade“). Die verklemmt lächelnde Springreiterin und toughe Juwelierin Susanne Steiger macht die Summe vierstellig.

Doch das Höchstgebot kommt von Fabian Kahl, dem Jüngsten in der Runde, den man mit seinem frechen Gothic-Look stets unterschätzt. Einfach kultig. Abertausende Male wurde das Konzept seit dem Sendestart 2013 durchdekliniert. Expertenschätzung, Preisvorstellung, Verkauf. Kurzum: „Bares für Rares“ ist bieder, berechenbar, billig.

Eine Lehrstunde des Kapitalismus

Und leider liebe ich es. Leider, weil das Frauenbild genauso antiquiert ist, wie die Gegenstände. Im unerträglichen Geschwätz von Lichter & Co. werden Verkäuferinnen zu „Engelschens“, „Mausis“ oder „Schätzeleins“. Lichter erklärt den Erfolg von „Bares für Rares“ so: „Sehnsucht nach Sicherheit, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit – nach Dingen, die einfach wahr sind“. Könnte aus einem CDU-Wahlprogramm der Fünfziger stammen.

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Umso erstaunlicher, mit welcher Dreistigkeit arglosen Ömmakens ihre Erbstücke unter Wert abgeluchst werden. Eine Lehrstunde des Kapitalismus: Minuten nachdem in weihevollen Worten die Aura eines Gegenstands aufgezeigt wurde, ist er wieder in bloße Ware verwandelt.

Doch ob Ölgemälde, Goldbroschen oder edelsteinbesetzte Pektorale – für die kurzen Minuten des Zaubers wird der verhinderte Archäologe in mir umschmeichelt. Vielleicht ist es aber auch nur die Bewunderung für das Loslassenkönnen. Denn meinen Ramsch werde ich wohl ewig behalten, auch wenn der Horst darin „janz watt Feines“ erkennt.

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