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Die „Heilige Familie mit Elisabeth und Johannesknabe, Hl. Joseph im Hintergrund“ von Elisabetta Sirani (um 1655-65).

© SMB,Kupferstichkabinett /Dietmar Katz

Ausstellung im Berliner Kupferstichkabinett: Als Künstlerinnen auf den Plan traten

Muse oder Macherin? Die Frauen in der italienischen Kunstwelt zwischen 1400 und 1800 mussten kämpfen. Das Kupferstichkabinett hat in seinen Beständen nachgeforscht.

Den Goldbrokat lässt sie glänzen wie echt, den kuscheligen Pelz schimmern. Aber nicht die Stofflichkeiten begeistern Kuratorin Dagmar Korbacher an dem Porträt der Malerin Sofonisba Anguissola. Sie fasziniert der Gesichtsausdruck. Ruhig zugewandt und aufmerksam, wie im Gespräch hat die Künstlerin ihre Mutter erfasst.

Die humanistisch gebildete Anguissola war eine der herausragenden Bildnismalerinnen ihrer Zeit. Sie beeindruckte Michelangelo in Rom und gab noch mit 96 Jahren dem flämischen Kollegen Anton van Dyck Praxistipps. Ihr Bild signierte sie mit dem Zusatz „virgo“, „Jungfrau“. Das steigerte den Wert.

Die väterliche Werkstatt diente als Sprungbrett

Es ist das einzige Gemälde in der Ausstellung, die ansonsten allein aus den Beständen von Kupferstichkabinett und Kunstbibliothek einen fulminanten Rundkurs durch die italienische Kunstwelt der Renaissance und des Barock bestreitet. Keineswegs nur als passive Inspirationsquelle, sprich Muse, machten die Frauen ihren Einfluss geltend. Wie sie vielmehr mit unterschiedlichsten Strategien in einem männerdominierten Umfeld agierten, wird anhand von Zeichnungen, Druckgrafiken und Buchkunst aufgerollt.

Rund 20 Künstlerinnen stellt die Ausstellung mit Kurzbiografien und Arbeiten vor. Da ist etwa Diana Mantovana, eine gewiefte Kupferstecherin mit enorm breitem Themenspektrum, die als erste mit ihrem Namen signierte. Von reinen Frauenszenen, wie einer figurenreichen Geburt der Venus, bis hin zu prächtigen Mannsbildern, wie einem grübelnden Hieronymus oder einem splitternackten Herkules nach antikem Vorbild spannt sich der Bogen.

Ohne Mäzeninnen wäre es noch schwerer gewesen

Lebende Modelle zu Studienzwecken zeichnen durften Künstlerinnen allerdings nicht, zu unschicklich. Viele Frauen wichen daher aufs Porträtfach aus. Tatsächlich waren Aktmodelle üblicherweise männlich. Die Folgen macht ein verblüffendes Studienblatt von Federico Barocci klar: Er skizzierte die Haltung einer Madonnenfigur anhand eines männlichen Aktmodells.

Die berühmte Artemisia Gentileschi beschwerte sich, wie teuer weibliche Modelle seien. Nicht nur ihre kraftvollen Frauengestalten, auch ihre Biografie mit sexualisierter Gewalterfahrung haben sie bekannt gemacht. Sie wurde von ihrem Lehrer vergewaltigt, was ihr Vater vor Gericht brachte. Keine einzige Zeichnung kann ihr mit Sicherheit zugeschrieben werden. Aber Korbacher stellt zwei Blätter zur Diskussion: Schließlich soll die Ausstellung auch neue Forschungen anregen.

Groß ist im Kupferstichkabinett, wie in jeder Altmeister-Sammlung, der Bestand an anonymen Blättern. Oft werden sie, quasi gewohnheitsmäßig, männlichen Künstlern zugeschrieben. Das Umdenken und Neujustieren des wissenschaftlichen Blicks ist ein allmählicher Prozess. Immerhin kommt er in Gang.

Korbacher war selbst überrascht, wie viel Aktuelles in den altbekannten Beständen schlummert, wenn man neue Fragen stellt: von Gender Pay-Gap bis zu fluiden Geschlechterrollen. Jetzt hängt gleich im Entrée ein zauberhaftes, rätselhaftes Bildnis der jungen Caterina Piccolomini. Sie trägt Männerkleidung. Nichts über die Hintergründe ist bekannt. 

Rosalba Carriera, Selbstbildnis der Künstlerin, von Rosalba Carriera (um 1708).

© bpk/Kupferstichkabinett,SMB/Jörg P. Anders

Von Laura Piranesi, der Tochter des bekannten Grafikmeisters, wüsste man nichts, hätte sie nicht säuberlich signiert. Natürlich arbeitete sie im Familienbetrieb mit wie die Brüder, lieferte gekonnt den gefragten Stil, stellte auch Rechnungen aus. Für viele Frauen war die väterliche Werkstatt ein Sprungbrett zur eigenen Karriere. Andere nutzten Klostermauern als Freiraum für erfolgreiches Schaffen.

Die venezianische Nonne Isabella Piccini, spezialisiert auf Buchillustrationen, ließ sich die Druckplatten ins Kloster schicken. Zu Starruhm als Malerin brachte es Elisabetta Sirani. Souverän skizzierte sie einen Säugling mit wenigen Strichen, so lebhaft und pummelig, wie ein Putto oder Jesuskind nur sein kann.

Auch als Radiererin überzeugt sie, die Arbeiten ihrer Schülerinnen schwächeln dagegen. Als Sirani mit 27 Jahren starb, war die öffentliche Aufmerksamkeit groß. Nur ein einziges Werk dagegen hat sich von der Radiererin Teresa Maria Coriolano erhalten: die fein gestrichelte Madonna ist ausgestellt.

In einer Marktnische sicherte sich Elisabetta Parasole nachhaltigen Erfolg. Sie war im Waisenhaus aufgewachsen – und die erste Frau, die eigene Entwürfe als Holzschnitte publizierte und in Buchform vertrieb: Ihre Stick- und Klöppelvorlagen erlebten mehrere Auflagen. Manche wirken wie abstrakte Muster.

Auch als Mäzeninnen waren Frauen Teil des Kunstbetriebs. Ohne die energischen Impulse der Isabella d’Este hätte Mantegna einige seiner berühmtesten Arbeiten nicht geschaffen. Die einflussreiche Maria de Medici war selbst künstlerisch ausgebildet, wie ihr frühes Selbstporträt zeigt. Später als französische Königin unterstützte sie eine Initiative der Künstlerin Virginia Vezzi, eine Zeichenschule für Mädchen aufzubauen.

Christina von Schweden hingegen dankte ab, um sich in Rom als Mäzenin in Künstlerkreisen zu bewegen. Die ewige Stadt war ein wichtiger Brennpunkt, wo auch die Frauen von der guten Auftragslage profitierten. Schon früh wurden sie in Italien zu den Akademien zugelassen. Selbstbewusst signierte etwa Teresa del Pò mit ihrem Status als Akademikerin, was zweifellos verkaufsfördernd war.

Zum Covergirl des Katalogs hat es Rosalba Carriera, die Meisterin des Pastells, geschafft. Ihr Selbstbildnis in Rötelkreide ist ein Ausnahmewerk. Wo sie sonst als europaweit bewunderte Porträtistin mit repräsentativem Schmelz brilliert, zeigt sie sich hier gänzlich ungeschminkt und unfrisiert mit störrisch gesträubten Locken.

Ihr Blick ist energisch, hoch konzentriert: Sich selbst im Spiegel befragt eine Künstlerin, die es zu höchstem Ruhm gebracht hat. Wer mehr von ihr sehen will: in Dresden gibt es dieses Jahr zu ihrem 350. Geburtstag eine Einzelausstellung.

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