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Ausstellung  «Romy Schneider. Wien - Berlin - Paris»

© dpa

Ausstellung: Romy Schneider: Die Berührbare

Nachblende: Das Berliner Filmmuseum feiert Romy Schneider in einer großen Ausstellung.

Eine französische Frau, ein großer französischer Star ist sie für Costa-Gavras. Oder nein, korrigiert er sich im Kataloggespräch mit der Kuratorin: „Sie verkörpert den Traum, den alle Franzosen haben: Sie war eine Ausländerin, die wie eine Französin war.“ Auch der Ausstellungsuntertitel „Wien Berlin Paris“ unterstreicht die Heimatlosigkeit, die sich aller nationalen Vereinnahmung entzieht und damit für Irritation sorgt, erläutert Filmmuseumschef Rainer Rother: So haben die Österreicher immer damit gehadert, dass Romy Schneider als Deutsche galt, die Deutschen nahmen ihr die Flucht nach Frankreich übel, die Franzosen betrachten sie ganz selbstverständlich als die ihre. Und noch in den Siebzigern beklagt sich Romy in deutschen Talkshows bitter, dass sie für die Deutschen immer die süße Sissi geblieben sei. Im Hintergrund der Studios ist dazu natürlich groß ein Sissi-Plakat zu sehen.

Eine Frau erfindet sich neu: Auch das könnte ein Titel der Romy-SchneiderAusstellung sein, die das Berliner Filmmuseum dem österreichisch-deutschfranzösischen Weltstar ausgerichtet hat. Und es ist höchstens ein wenig Lokalpatriotismus, wenn Romy anbiedernd an Marlene Dietrich schreibt: „Du, in Berlin hab ich auch angefangen.“ Und wenn Schirmherr Klaus Wowereit im Grußwort auf Romys Berliner Jahre anspielt und mit Blick auf den Mauerfall endet: „Dass tragische Entwicklungen im Lauf der Zeit revidierbar sind und glückliche Fügungen möglich werden, wo zuvor Hoffnungslosigkeit herrschte – das ist eine Erfahrung, die Romy Schneider in ihrem viel zu kurzen Leben nicht zuteil wurde.“ Berlin, die Ehe mit Harry Meyen, das Leben als Hausfrau und Mutter, das war nicht Romys glücklichste Zeit.

Tragische Entwicklungen, Hoffnungslosigkeit, das ist das Grundmotiv. Der Trauerflor, der Romys Leben in der medialen Wahrnehmung stets umgeben hat, scheint unzerreißbar. Jenes schwere, schwarze Netz aus Gesundheitsproblemen, offen ausgetragenen Beziehungskrisen, Schicksalsschlägen und frühem Tod, jene herzzerreißende Geschichte von der unschuldigen Prinzessin, die zur Schmerzensmadonna wird. Noch die Berliner Ausstellung spielt mit Schwarz und Weiß, mit Mythos und Projektion, wenn sie am Ende beide Rollen gegeneinanderstellt: Jenes unschuldige, unendlich oft reproduzierte „Sissi“-Bild aus den Fünfzigern, von dem Romy ihr Leben lang loszukommen versuchte – und die späte Wiederaufnahme in Luchino Viscontis „Ludwig II.“. Eine gereifte Elisabeth, ganz in Schwarz, die ihr unglückliches Leben rekapituliert. Und dazu sind als Parallelmontage die entsprechenden Szenen aus den „Sissi“-Filmen zu sehen, als kommentiere Romy Schneider sich selbst. Und ein schwarzes Originalkleid der Elisabeth von Österreich, ein perlenbesetztes weißes Ballkleid, das Romy als Sissi trug – und eine Replik für Cristiana Capotondi, die zu Weihnachten in einem ZDF-Fernsehfilm als „Sisi“ zu sehen sein wird. Der Mythos ist nicht totzukriegen.

Umso mehr Wert legen die Ausstellungsmacher auf die französischen Jahre. Auf die selbstbewusste Schauspielerin, die mit unglaublicher Souveränität verführerisch starke Frauen spielt. Frauen in hellen Sommerkleidern auf dem Fahrrad, Frauen, die, nur ins Handtuch gehüllt, mit Brille auf der Nase an der Schreibmaschine sitzen, Frauen, die sich dem Rausch der Geschwindigkeit hingeben, in schnellen Autos, im ausgelassenen Tanz, und immer mit Zigarette. Die Strahlkraft, die Romy Schneider in diesen Filmen hat, ist noch heute unwiderstehlich.

Und gleichzeitig, auch dieser Punkt ist Ausstellungskuratorin Daniela Sannwald besonders wichtig, war es keineswegs ein Leben, das sich nahtlos in den Filmen spiegeln lässt. Eine solche Sicht negiert die Professionalität, mit der Romy sich selbst in privat schwierigsten Zeiten in ihre Rollen stürzt. Da unterschreibt sie Briefe an Claude Sautet mit „Romy-Hélène“ oder „Ro.-Marie“, und nichts wäre ihrer schauspielerischen Kraft unangemessener, als etwa ihren Kurzauftritt in Sautets „Mado“ nur als Kommentar zu eigenen Alkoholproblemen zu lesen.

In jenen letzten Jahren hat Romy mit Vorliebe Opferrollen gespielt. Opfer des Nationalsozialismus, aber auch Opfer dominanter Männer. Auch das ein Lebensthema. Ihre Auseinandersetzung mit Stiefvater Hans-Herbert Blatzheim, die Trennung von Alain Delon, die Ehe mit Harry Meyen, schließlich die Wahl immer jüngerer Gefährten – all das ist auch ein Kampf um Emanzipation, um Selbstbestimmung. Kein Wunder bei einer Presse, die Romy verfolgt wie später nur noch Prinzessin Diana – und sie immer wieder auf Skandale reduziert: „Romy liebt jetzt, wen sie will“ titelt der „Stern“ nach ihrer Scheidung. Und bei ihrer Hochzeit mit Daniel Biasini – Romy trägt, ganz Flowerpower, einen Blumenkranz im Haar – zoomt eine Fensehkamera ungeniert sekundenlang auf ihr Dekolleté.

Romy, die Kämpferin, die in Talkshows auch ziemlich verbissen wirken konnte? Nicht nur. Die Entdeckung, das Herz der Ausstellung sind die Sechziger, die Jahre des Aufbruchs, des Ausbruchs, des Experiments. Die Jahre, in denen eine sehr junge, verliebte Schauspielerin Hals über Kopf nach Paris zieht und ihre Karriere noch einmal neu beginnt. Auf den Fotos jener Jahre sieht man alles: die noch kindliche Weichheit des Gesichts, die immer wieder aufbrechende Unsicherheit, eine ansteckende Unbekümmertheit. Wenn Jessica Schwarz in Torsten C. Fischers jüngstem Fernsehfilm „Romy“ bei rasender Fahrt vom CabrioBeifahrersitz aufsteht, mit flatternden Haaren und flatterndem Halstuch, ist zumindest dieser Freiheitsdrang getroffen.

Vor allem aber erlebt man Romys Magie, ihre chamäleonhafte Wandelbarkeit. Wie sonst nur Marilyn Monroe oder in jüngerer Zeit Isabelle Huppert ist Romy unendlich oft fotografiert worden, noch immer tauchen neue Bilder auf. Berühmt zum Beispiel Heinz Kösters Porträtserie von 1963, als sich Romy, ganz französische Frau, selbstbewusst im Chanel-Kostüm präsentiert. Zehn Jahre später zeigt Georges Pierre sie im Profil, mit hochgeschlagenem Mantelkragen und frech aus dem Knoten springender Haarsträhne. Romy im weißen Etuikleid nachts auf der Landstraße, sich lachend einen Schuh überstreifend, interpretiert Rainer Rother als gelungene Inszenierung der ,neuen Frau’. Und Romy bei der Theaterprobe, schwarze Hose, schwarzer Pullover, die Beine fest in den Boden gestemmt, und aus dem Parkett kritisch zu ihr aufschauend ihr Ehemann Harry Meyen – auch das ist eine Inszenierung. Und eine, die mehr verrät, als sie soll.

Berliner Filmmuseum, bis 30. Mai.

Di bis So 10 bis 18, Do bis 20 Uhr.

Katalog (Henschel Verlag) 14,90 €.

Christina Tilmann

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