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Blick in die Koje der Galerie Zwirner, die aus New York Fotografien von Wolfgang Tillmans und eine Skulptur von Isa Genzken mit nach Düsseldorf gebracht hat.

© Sebastian Drüen

Auftakt der Art Düsseldorf: Sonne in der Nacht

Die Art Düsseldorf wagt das Experiment einer neuen Messe im Rheinland – der Auftakt mit 80 Galerien überzeugt.

Was ist denn das? Heißt es nicht immer von Seiten der Galeristen, es gäbe zu viele Messen? Man wolle downsizen, sich auf die wichtigsten Auftritte im Jahr beschränken. Dann findet noch eine neue Messe statt – und alle gehen sie dorthin.

Von 270 Anmeldungen spricht Walter Gehlen, einer der beiden Chefs der neuen Art Düsseldorf. 80 Galerien habe man schließlich genommen; dabei sei die Qualität durchweg hoch gewesen. Mehr Teilnehmer aber braucht es offenbar auch nicht, um eine sehenswerte Messe für die Region zu realisieren. Genau das wollen Gehlen und sein Messe-Partner Andreas Lohaus: Eine Plattform für Kunst ab 1945, die Besucher im geografischen Radius von knapp zwei Stunden in das Areal Böhler mit seinen spektakulären Industriehallen zieht. Fürs Erste jedenfalls.

Natürlich spielen auch die Namen der Teilnehmer eine Rolle. Auch das weiß jenes Duo, das lange Zeit mehr oder minder erfolgreich die Art.Fair in Köln geleitet hat. Die neue Aufstellung erfolgt mit Hilfe der Schweizer Messegesellschaft MCH Group, unter deren Dach sich die Art Basel zum internationalen Player mit Ablegern in Miami und Hongkong entwickeln konnte. MCH beteiligt sich zu 25,1 Prozent an der Art Düsseldorf, um ihr Portfolio an regionalen Messen zu erweitern. Mit solchen Mitstreitern zieht man etablierte Galerien an, die wiederum nach außen strahlen.

Konzentration auf das regionale Potenzial

David Zwirner, Kunsthändler in New York, ist so ein Multiplikator. Seine Galeriedirektorin Veronique Ansorge saß im Zulassungsausschuss zur Messe, genau wie Markus Lüttgen, Galerist aus Köln, oder Boris Vervoordt von der belgischen Galerie Axel Vervoordt. Ein Effekt wie beim Domino war das Ergebnis: Ihre Teilnahme brach den möglichen Widerstand all derer, die genug vom Messezirkus haben oder wie Utermann schon in der nächsten Woche auf die Cologne Fine Art (Cofa) weiterziehen.

Die Galerie aus Dortmund hat ein famoses Kabinett inszeniert. Mit Zeichnungen und Skulpturen des 1984 verstorbenen Düsseldorfer Bildhauers Norbert Kricke, dessen Kleinskulpturen inzwischen um die 130 000 Euro kosten. Kricke in alle Spielarten: Eine Koje wie diese setzt Maßstäbe innerhalb einer Verkaufsschau. Doch schon der erste Gang über die Art Düsseldorf macht klar, dass sich hier kaum jemand mit einem vollgepfropften Stand präsentiert. Im Gegenteil: Die Galerie Dittrich & Schlechtriem konzentriert sich auf Absolventen von Olafur Eliassons „Institut für Raumexperimente“ und konnte gleich zur Eröffnung Verkäufe von Julian Charrière wie auch Andreas Greiner melden. Die Galerie aus Frankfurt widmet ihren Stand ganz dem chilenischen Surrealisten Roberto Matta, dessen teuerstes Werk 2,5 Millionen Euro kosten soll. Und die 1939 in Monza gegründete Galerie Montrasio legt einen Auftritt ganz in Weiß und Silber mit Zero-Künstlern und italienischen Geistesverwandten hin, der auch einen Kunstverein schmücken würde.

Diese Premiere ist eine feine Sache mit Namen wie Anselm Kiefer (Galerie Haas), Gerhard Richter (Galerie Schönewald), Gotthard Graubner (Axel Vervoordt) oder Carl Andre (Galerie Carola Nitsch). Zwirner zeigt Fotografien von Wolfgang Tillmans. Von den sogenannten blue chips à la Warhol und Picasso gibt es nichts zu sehen, das Highlight, ein Objekt des Minimal-Künstlers Donald Judd, stammt ebenfalls aus dem Portfolio von Zwirner (850 000 Euro). Stattdessen konzentrieren sich die Galerien auf das regionale Potenzial und geben sich dabei selbstbewusst.

Wenig echte Experimente

800 000 Euro möchte Schönewald aus Düsseldorf für ein typisches Gemälde von Josef Albers haben, das Farbe im Quadrat zeigt. Beim Fotografie-Experten Thomas Zander hängen drei zeitlose Gender-Selbstexperimente von Jürgen Klauke aus den Siebzigerjahren und dazu Abzüge von Tata Ronkholz, die wie Thomas Struth oder Candida Höfer eine Schülerin der Bechers war und seit einiger Zeit wiederentdeckt wird. Am Stand von Schönewald entdeckt man auch noch Zeichnungen von Konrad Klapheck (je 6000 Euro), bei Alexander Levy schleichen sich atmende Objekte von Julius von Bismarck aus der Koje (je 10 000 Euro). Der junge Galerist aus Berlin wurde mit zwölf anderen Teilnehmern in der benachbarten Kaltstahlhalle platziert. Als „Post-Lehman“-Sektion stehen sie stellvertretend für jene unverzagten Galerien, die auch nach der Finanzkrise von 2008 noch eine Gründung wagten.

Gerade drei Jahre zählen die Münchner Räume von Johannes Sperling. Er konzentriert sich auf Thomas Geiger und Anna Vogel, deren vielfach überarbeitete Zeichnungen wie Wasser in der Sonne glänzen. Auch diese Künstlerin hat sich schon gut etabliert. Echte Experimente sieht man selten auf dieser Messe, was allerdings verständlich ist: Schließlich handelt es sich um eine Premiere, auf der man erst einmal zeigt, wer man ist. Wenn es im nächsten Jahr zur Neuauflage der Art Düsseldorf kommt – was nach dem ersten Eindruck ziemlich klar scheint –, haben die Galerien immer noch Gelegenheit zu zeigen, was sie noch können.

Art Düsseldorf, Areal Böhler, Düsseldorf; wieder vom 1. bis 4. November 2018.

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