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Arlo Parks stellte am Sonntag in Berlin ihr aktuelles Album „My Soft Machine“ vor.

© imago/Martin Müller/IMAGO/MARTIN MÜLLER

Berlin-Konzert von Arlo Parks : Gemeinsam die emotionalen Zumutungen bewältigen

Der britische Popstar Arlo Parks kommt für einen Auftritt nach Deutschland. Niemand schreibt im Moment so schöne Lieder über Einsamkeit und die „Super Sad Generation“.

Von Andreas Busche

Was macht einen großen Popstar zur Stimme einer Generation? Haltung schadet heutzutage sicher nicht, erzeugt allein aber noch keine Verbundenheit. Niemand schätzt etwa eine Beyoncé als nahbare Repräsentantin eines Lebensgefühls. Wichtiger ist da schon eine gewisse Sensibilität für die mentalen Erschütterungen und emotionalen Zumutungen des frühen 21. Jahrhunderts.

Was die gemeinschaftlichen Erfahrungen aber unverbrüchlich macht, ist die Spezifik von persönlichen Beobachtungen und Zustandsbeschreibungen, die eine unmittelbare Nähe beim Zuhören erzeugen. Ein Geruch, der den Moment einer Trennung umweht: „Petrol in the air, wisteria and scrambled eggs“. Oder die Nervosität einer Überwältigung: „My chest is buzzing like a bluebird caged / Love like Juliette Binoche“.

Die immer noch erst 23-jährige Londonerin Arlo Parks besitzt eine emotionale Intelligenz – und einen Referenzfundus – weit jenseits ihres Alters. Es ist nicht der einzige Grund, warum Anais Oluwatoyin Estelle Marinho seit ihrem Debütalbum „Collapsed In Sunbeams“ von 2021, mit dem sie in Großbritannien den renommierten Mercury Prize gewann, als Stimme der „Super Sad Generation“ gilt. (So lautet der Titel einer Sammlung ihrer frühen Songs.) Parks lässt eine Nähe zu, die in manchen Momenten so schön ist, dass es fast schmerzt.

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Bei ihrem einzigen Deutschland-Konzert am Sonntag im Berliner Huxleys Neue Welt ist sie zu sehen, bevor sie auf der Bühne steht. Eine Projektion im Hintergrund zeigt extreme Großaufnahmen ihres Gesichts, die die Poren sichtbar machen. Auch in den Songs auf ihrem aktuellen Album „My Soft Machine“ zoomt Arlo Parks meist ganz nah heran an ein Gefühl oder ein Detail, das pars pro toto für eine große Einsamkeit oder die taube Euphorie einer gemeinsamen Erinnerung mit der Ex-Freundin steht; „strawberry days“ nennt sie eine solche im Eröffnungssong „Weightless“.

Hände formen Herzen in der Luft

In Interviews hat Parks in den vergangenen Jahren oft über ihren „Black Dog“ gesprochen, wie Winston Churchill seine depressiven Phasen nannte. Sie hat sich den Begriff für einen ihrer schönsten Songs über eine Freundin geliehen. Aber wie Arlo Parks ihn in Berlin performt – umgeben von einer Band, deren Mitglieder sie teilweise seit Teenager-Tagen kennt; vor Fans, die mit ihren Händen Herzen in der Luft formen – scheinen diese schwarzen Stunden gerade sehr weit weg zu sein. Bereits nach vier Songs verschwindet sie im Publikum.

Der ganze Auftritt hat etwas von einer Wellnesskur, die Kräfte mobilisiert. Parks wirkt auf der Bühne unermüdlich, fast rastlos; immer wieder fährt ihre Hand durch die kurzen, blond gefärbten Haare. Ihre Performance ist körperlicher, als die weich wattierten, mitunter akustisch arrangierten Songs – hier ein wärmender Hip-Hop-Bass, dort eine süßliche Synthesizer-Melodie – erahnen lassen.

Entsprechend muskulös klingen auch die neuen Songs, was in den lauten Passagen zwar etwas beliebig anmutet. Aber das wird auch hin und wieder über ihre LoFi-Produktion gesagt, die an den Rändern kuschelweich ausfranst, und gerade darum so wunderbar zu ihren intimen, bekenntnishaften Texten passt. Das wichtigste Instrument von Arlo Parks bleibt sowieso ihre glockenhelle Stimme mit dem R’n’B-Timbre, gegen die jedes Gitarrensolo verblasst.

Parks versteht es, auch ohne Anbiederung ans Publikum ein Gemeinschaftsgefühl entstehen zu lassen. Sie gibt keine Parolen aus, sondern teilt ihr Seelenleben – in den Songs, den Geschichten dazwischen. Aber dann greift sie am Schluss doch noch selbst in die Saiten für die Alternative-Rock-Hommage „Devotion“, die Breeders-Sängerin Kim Deal im Text zitiert. Arlo Parks versteht nicht nur die Befindlichkeiten ihrer Generation. Mit ihren 23 Jahren hat sie auch schon eine sehr genaue Vorstellung davon, in welcher Tradition sie sich später gerne sehen würde.

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