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Quartier Schützenstraße von Aldo Rossi in Berlin-Mitte.

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Starke Farben und poetische Geometrie: Architekturzeichnungen von Aldo Rossi in Berlin

Aldo Rossi gilt als einer der größten Architekten des 20. Jahrhunderts. Das Berliner Museum für Architekturzeichnungen zeigt jetzt 120 grafische Arbeiten von ihm.

Bevor Aldo Rossi jemals gebaut hatte, war er Theoretiker. Eher noch war der 1931 geborene Mailänder ein Dichter – oder ein Träumer. „Vielleicht war die Beobachtung der Dinge meine wichtigste formale Erziehung“, schrieb er 1981 in seiner Autobiografie. „Dann hat sich die Beobachtung in eine Erinnerung dieser Dinge verwandelt. Jetzt kommt es mir vor, als ob ich sie alle wie Werkzeuge sauber aufgereiht hätte, aufgereiht wie in einem Herbarium, in einem Katalog oder Wörterbuch.“

Erst mit Beginn der 1980er Jahre begann Rossi viel zu bauen, stieg er kometengleich zu einem der weltweit gefragtesten Architekten auf. Und er entwarf, ohne unter der Fülle der Projekte nachlässig zu werden. Stattdessen blieb er fast durchweg auf der Höhe seiner architektonischen Qualität.

Ein banaler Autounfall riss ihn 1997 aus dem Leben. Ein Vierteljahrhundert ist seither vergangen, und doch wirkt nichts an seinen Entwürfen antiquiert. Und auch innerhalb der Reihe seiner Projekte scheint es, auf den ersten Blick zumindest, keine Abfolge vom Unfertigen zum Vollendeten zu geben. Alles ist gleichermaßen gut.

Zeichnung von Aldo Rossi

© © Eredi Aldo Rossi, Courtesy Fondazione Aldo Rossi“

Davon zeugt die Ausstellung seiner grafischen Arbeiten, die jetzt unter dem Titel „Insulae“ im Berliner Museum für Architekturzeichnung in Prenzlauer Berg zu sehen ist, mit rund 120 Blättern bestückt aus dem von der Familie gehüteten Nachlass. Es sind zumeist Blätter, die von früheren Zeichnungen ausgehen, die der Architekt kopiert und dann koloriert hat. Rossi liebte starke Farben; davon zeugt sein Gebäudeensemble an der Schützenstraße mitten im historischen Berlin. Zugleich liebte er die Collage aller Elemente, die ihm zu Gebote standen; bis hin zur Kaffeekanne, die auf einigen Blättern haushoch dabei ist, ohne im mindesten fremd zu wirken.

Es war immer deutlich, dass Rossi in Italien aufgewachsen ist, mit dem ganzen historischen Erbe, das dort überreich noch in den kleinsten Orten zu finden ist, in jener eigentümlichen Mischung aus Vergangenheit und Gegenwärtigkeit, die in schönen Momenten beim Betrachter das Gefühl von Zeitlosigkeit hervorruft. In solcher Zeitlosigkeit hat Rossi die „Dinge“, von denen er 1981 sprach, bewahrt, die eckigen Türme, die Spitzdächer, auch den Schornstein, der stumm und verloren wie auf einem Gemälde von de Chirico herumsteht. „Ich habe stets betont, dass die Orte stärker sind als die Personen,“ schrieb Rossi, „der Ort stärker ist als das Geschehen.“

Zu Beginn seiner Tätigkeit als bauender Architekt galt Rossi als Rationalist, seine Bauten, wie der riesige Wohnblock in der Mailänder Vorstadt Gallaratese, schüchterten ein. Doch dann begann Rossi – und das ist auf den betörend schönen Blättern der derzeitigen Ausstellung zu verfolgen –, die Härte geometrischer Formen poetisch zu mildern.

Zeichnung von Aldo Rossi.

© © Eredi Aldo Rossi, Courtesy Fondazione Aldo Rossi“

In den kolorierten Fassungen ist ohnehin alles Kantige vergangen. Mit dem „Teatro del Mondo“, das eher einem Turm glich als einem Theatergebäude und auf einer Barkasse durch Venedigs Wasserwege gezogen wurde, schuf er 1979 ein poetisches Bild, in dem sich Dauerhaftigkeit und Vergänglichkeit die Waage hielten: Was blieb, ist die „Erinnerung“ an etwas, das man als das Gemeinsame aller Architektur bezeichnen könnte.

Einer der schönsten und zugleich größten Entwürfe Rossis galt dem Deutschen Historischen Museum, das ab 1989 im Berliner Spreebogen entstehen sollte. Eine der nüchternsten, entwurfsmäßigen Zeichnungen der Ausstellung zeigt die Lage des Grundstücks unmittelbar am Fluss. Der Fall der Mauer beendete das Vorhaben, noch bevor der Bau begonnen hatte. Was Rossi danach in Berlin entwarf, war nicht immer von gleich hoher Qualität; da lastete der Druck der Investoren auf den Plänen wie jenem für den Leipziger Platz, der einen gewaltigen Zirkusbau einschließen sollte.

Der San-Cataldo-Friedhof in Modena von Aldo Rossi.

© imago images/Arcaid Images / imago images/Arcaid Images

Aldo Rossis schönste Entwürfe wurden in Italien ausgeführt. Und die schönsten Blätter der Ausstellung sind jene, die die Auseinandersetzung mit oder eher die Erinnerung an Geschichte zeigen; wie jenes Blatt voller Türme, in das er den maßlos übersteigerten Kirchturm des halb vergessenen Turiner Architekten Antonelli eingebaut hat.

Rossi spielte mit den „Dingen“, die er gesehen hatte und für immer im Gedächtnis behielt. Und hätte er kein einziges Gebäude errichtet und nur diese farbigen Blätter hinterlassen, er wäre dennoch einer der herausragenden Architekten des späten 20. Jahrhunderts. Oder vielmehr: dessen Baumeister.

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