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Eine Seite aus dem Band „Acht Stunden in Berlin“ aus der Reihe „Blake und Mortimer“.

© 2022 Éditions Blake & Mortimer, Studio Jacobs/Dargaud-Lombard S.A.

Comic-Thriller „Acht Stunden in Berlin“: Ein komplexer Fall für Blake und Mortimer

José-Louis Bocquet, Jean-Luc Fromental und Antoine Aubin schicken ihr britisches Gentlemen-Team im Jahr 1963 in die Mauerstadt. Sie kombinieren die spannungsreiche Story geschickt mit historischen Ereignissen.

Von Thomas Greven

Berlin, kurz nach dem Bau der Mauer, auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs und noch immer im Schatten des Zweiten Weltkriegs: Ein idealer Schauplatz für internationale Spionagegeschichten. Und so findet sich auch das britische Gentlemen-Team aus dem Geheimdienstoffizier Francis Blake und dem Wissenschaftler Philip Mortimer, 1946 vom Belgier E. P. Jacobs geschaffen und seit dessen Tod 1987 von anderen Comic-Künstlern fortgeführt, im Jahr 1963 in der Frontstadt wieder.

Hier soll nicht verraten werden, welche Rolle der symbolträchtige Berlin-Besuch John F. Kennedys für das neue Abenteuer von Blake und Mortimer spielt. Bocquet, Fromental und Aubin haben keinen der derzeit so beliebten Hommage-Bände für klassische Figuren der franko-belgischen Comic-Geschichte vorgelegt, die den Künstlern gewisse Freiheiten zugestehen, sondern sind um stilistische Stimmigkeit und narrative Kontinuität bemüht.

Die detailreiche und realistische Ligne-Claire – von Edgar P. Jacobs nach dem Vorbild seines zeitweiligen Chefs Hergé („Tim und Struppi“) perfektioniert – wird fast ununterscheidbar reproduziert. Und auch die komplexe Geschichte könnte ohne Weiteres von Jacobs stammen. Wobei der Band nicht nur für die etwas älter gewordenen Fans der klassischen Comic-Serie interessant ist.

Fromental und Bocquet, der aktuell auch mit einer großartigen, von Catel gezeichneten, Biografie der Filmpionierin Alice Guy in den deutschen Buchläden präsent ist, verweben die spannungsreiche Story geschickt mit authentischen historischen Ereignissen. Meisterhaft konstruieren sie zahlreiche Mini-Cliffhanger, auf die genau getaktete Wechsel von Schauplätzen und Protagonisten folgen.

Die Geschichte springt zwischen Blake und Mortimer hin und her; zunächst ist unklar, wie alles zusammenhängt; dann werden die Fäden in Berlin zusammengeführt. Die fast filmische Herangehensweise überzeugt; allerdings werden auch die von Jacobs bekannten Schwächen bei der Darstellung von Action reproduziert.

Schnelle Bewegungen wirken meist etwas hölzern und steif, egal ob es sich um Menschen oder Fahrzeuge handelt. Zeichner Aubin kann das vermutlich besser, aber wichtiger war wohl, den Charakter des Originals zu bewahren. Auch die Farbpalette entspricht den Originalen von Jacobs. Nicht zuletzt können die originalgetreu arbeitenden Künstler dem Fluch vieler Serien nicht entkommen: einmal etablierte Gegenspieler wie der E.P. Jacobs wie aus dem Gesicht geschnittene Schurke Olrik müssen immer wieder auftauchen, und deshalb auch das Scheitern ihres Griffs nach der Weltherrschaft überleben.

Künstlerische Freiheiten nimmt sich das Team bei der Geografie Berlins. Da grenzt Schöneberg im Westen einfach mal an Altglienicke im Osten, weil es der Dramaturgie dient. Neu ist ein gewisser Humor. Blake und Mortimer lassen sich kaum einmal aus der Ruhe bringen, wofür symbolisch ihr ständiges Pfeiferauchen steht.

„Tabak ist gewiss der größte Feind der Spione“, ist der Kommentar aus dem Off, als Blake und ein Kollege im vollgequalmten Auto eine nächtliche Langzeitbeobachtung durchführen.

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