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Wunderbarer Irrsinn: Eine Coverzeichnung von Walt Simonson.

© Marvel

Comic-Klassiker „Thor“: Der Frosch des Donners

Walt Simonson hat mit seinem „Thor“-Opus in den 80ern gezeigt, wo der Hammer hängt Jetzt gibt es den kompletten Run als vier Kilo schweren Wälzer.

Mitte der 80er Jahre bekam Marvel den zweiten Atem. 20 Jahre zuvor hatten Stan Lee und seine Mitstreiter die US-amerikanische Comic-Szene komplett umgekrempelt. „Übermenschliche Helden mit allzu menschlichen Problemen“ lautete das Konzept für Serien wie „Spider-Man“, „Avengers“ und „X-Men“, mit dem man neue Leser generierte, die älter und anspruchsvoller als die bisherigen jugendlichen Fans waren.

Eine Innenseite aus „Thor Collection von Walt Simonson“.
Eine Innenseite aus „Thor Collection von Walt Simonson“.

© Panini

Später kamen zeitgeistige Figuren wie der Weltraum-Philosoph Silver Surfer, der brutale Vigilant Punisher und die Fantasy-Ikone Conan dazu. Aber irgendwann hatte sich auch diese Masche totgelaufen. Doch dann schlug die Stunde der Auteurs, der Künstler mit einem unverwechselbaren Ansatz.

John Byrne, der sich seine ersten Sporen bei den „X-Men“ verdient hatte, verwandelte die „Fantastic Four“ quasi im Alleingang in die Saga einer dysfunktionalen Familie; Frank Miller machte aus „Daredevil“ einen düsteren, urbanen Noir-Krimi; und der 1946 in Knoxville, Tennessee geborene Walter Simonson übernahm im November 1983 mit der laufenden Nummer 337 eine der langweiligsten Marvel-Serien überhaupt, den mächtigen Donnergott Thor, und verwandelte ihn in ein Feuerwerk schräger und epischer Ideen.

Schon auf den ersten Seiten seines 48 Hefte umreißenden Runs wird klar: Hier setzt jemand neue Maßstäbe. Eine drei Seiten lange Kamerafahrt durch ein schwarzes, kaltes Universum endet damit, dass jemand unter Getöse eine Waffe schmiedet: „DOOM!“ Aus solchen lautmalerischen Worten wird Walt Simonson im Lauf der nächsten Monate eine wahre Kunstform machen.

Handstreichartig entsorgt der neue Autor/Zeichner alle menschlichen Nebenfiguren der Serie, nur die nordischen Götter bleiben. Ein rätselhaftes, schnabeltragendes Alien mit Namen Beta Ray Billy erscheint und es ist fähig, Thors Hammer Mjölnir zu tragen. Thor gibt seine Tarnexistenz als Doktor Donald Blake auf und wird zum Bauarbeiter Sigurd Jarlson. Und schließlich verwandelt sich der Gott des Donners durch eine Intrige seines Erzfeindes und Halbbruders Loki in… den Frosch des Donners: „Kroak! Kroak!“

Ein zeitloser Klassiker

Diesen ganzen wunderbaren Irrsinn gibt es jetzt in einem rummelbunten, vier Kilo schweren Band auf Deutsch: „Thor Collection von Walt Simonson“ (Übersetzung Marc-Oliver Frisch, Carolin Hidalgo, Jürgen Petz, Alexander Rösch und Michael Strittmatter, Panini, 1196 S., 99 €, limitierte Ausgabe 120 €).

Das Titelbild des besprochenen Sammelbandes.
Das Titelbild des besprochenen Sammelbandes.

© Panini

Simonson war schon vor 40 Jahren ein ausgefuchster Autor, seine Dialoge sind immer so überspannt, dass man beim Lesen permanent grinst, er hält über die fast 1200 Seiten alle Handlungsbälle souverän in der Luft.

Die gesamte Geschichte ist – bis hin zum Höhepunkt der Ragnarök, der Apokalypse der nordischen Götter – klar strukturiert, man kann sie ohne große Vorkenntnisse lesen. Auch wenn das Ganze im letzten Drittel – Simonson ist hier nur noch als Autor tätig, die Zeichnungen übernimmt Sal Buscema - etwas schwächelt, ist dieser Band ein zeitloser Klassiker.

Etwas kritischer sollte man die digitale Neukolorierung durch Steve Oliff sehen. Die Originalfarben von Christine Scheele waren für eine mittelalterliche Drucktechnik auf dem typisch holzigem Papier der 80er Jahre angelegt. Oliff, der sich seine Lorbeeren mit der Kolorierung von Katsuhiro Otomas „Akira“ verdient hat, kleistert Simonsons elegante und dynamische Linienführung teilweise zu.

Ein Problem, das man leider in Kauf nehmen muss. Dem Lesevergnügen tut das keinen Abbruch.

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