zum Hauptinhalt
Eine Szene aus „The Children of Grimm“.

© „The Children of Grimm“ / altraverse/Manga Day

Manga Day 2023 mit deutschen Beiträgen: Ein Ausflug ins Jenseits und die Erben der Gebrüder Grimm

Beim Manga Day am 16. September gibt es wieder viele neue Reihen aus Japan gratis zu entdecken. Und diesmal sind auch zwei deutsche Comicproduktionen mit dabei.

Von Sabine Scholz

| Update:

Die junge Kiela leidet an einer Herzkrankheit, an der ihr Zwillingsbruder zuvor gestorben ist. Mit Hilfe einer Firma, die Menschen die Reise ins Jenseits ermöglicht, will sie Kontakt zu ihrem toten Bruder aufnehmen. Doch durch ein aberwitziges Missverständnis kommt es anders als geplant.

Der Manga „Kiela und das letzte Geleit“ ist eine der Entdeckungen, die Fans und Neueinsteiger an diesem Sonnabend beim „Manga Day“ machen können.

Am 16. September 2023 werden in Deutschland, Österreich und der Schweiz in mehr als 1200 Buchhandlungen, Comic- und Manga-Läden, Bibliotheken und an anderen Orten kostenlos Mangas verteilt - mehr dazu auf der Manga-Day-Website.

Eine Seite aus „Kiela und das letzte Geleit“.

© altraverse/Manga Day

Die exklusiv für die Aktion produzierten Bände von insgesamt acht Verlagen präsentieren aber nicht nur Übersetzungen japanischer Originale. Es sind auch zwei deutsche Produktionen des Hamburger Verlags altraverse dabei, welche sich auf die Qualitäten der japanischen Originalgenres besinnen und gleichzeitig in der europäischen Kultur verhaftet sind.

Eine Reise ins Totenreich

In „Kiela und das letzte Geleit“ (altraverse, bislang 1 Band, 196 S., 8,00 €) widmet sich die Kölnerin Sozan Coskun dem Tabuthema Tod. Die Zeichnerin denkt, dass jungen Menschen das Thema nicht fern sein muss, da jeder früher oder später damit in Berührung kommt.

Eine weitere Szene aus dem Band, der am 16.9. gratis verteilt wird.

© altraverse/Manga Day

In der Welt, die sie für den Manga entworfen hat, regelt eine deutsche Firma den Übergang ins Jenseits. Menschen, die nach ihrem Ableben dorthin gelangen wollen, müssen einen Vertrag mit dem Unternehmen Helsheim AG schließen. Titelheldin Kiela hat ihren bereits unterschrieben. Das kranke Mädchen hofft, ihren Bruder über die Firma noch zu Lebzeiten wiedersehen zu können.

Ihre Figuren hat Sozan Coskun so angelegt, dass sich ihre Leserschaft mit ihnen identifizieren kann, wie sie im Interview sagt. „In meinem Fall sind das junge Mädchen, die aus eigener Kraft und Antrieb die Welt um sich herum verändern können. Wahrscheinlich verstehen viele das Gefühl sich in einer schwierigen Situation hilflos und ohnmächtig zu fühlen, gerade in der heutigen Zeit.“

Fünf Bände sind zu „Kiela und das letzte Geleit“ geplant. Das detailliert gezeichnete Werk entsteht digital am Grafiktablett und unterscheidet sich kaum von den japanischen Vorbildern. Coskuns Figuren, die ständig in Bewegung sind, tragen dem filmischen Charakter des Mediums Rechnung und bedienen althergebrachte, klassische Zeichenattribute.

Das Manga-Day-Titelbild von „Kiela und das letzte Geleit“.

© altraverse/Manga Day

Sozan Coskun reizt vor allem der vermeintliche Bruch der Ästhetik mit der Ernsthaftigkeit ihrer Themen. Sie sagt: „Mich hat schon immer der hyperfeminine Look begeistert, den man im Shojo-Manga findet. Von den glitzernden großen Augen bis hin zur feinen Linienführung.“

Grimmsche Märchen als Inspirationsquelle

Mit filmischer Action, kantiger Bildsprache und schnoddrigen Dialogen geht das deutsche Künstlerduo Aljoscha Jelinek aus Hamburg und Mareike Noske alias Blackii aus Stuttgart an den Start. „The Children of Grimm“ feiert zum Manga Day Weltpremiere. Der erste komplette Band soll erst 2024 erscheinen.

Eine Seite aus „The Children of Grimm“.

© altraverse/Manga Day

Im dritten Kapitel der Gratisversion wechselt die klassische Heldengeschichte daher in die Skizzenform und bietet inklusive Anhang spannende Einblicke in den kreativen Prozess: Unter anderem hat das Duo bestehend aus Zeichnerin und Autor eine Art Ideen-Ping-Pong via Chatnachrichten betrieben und einen komplexen Weltenbau mit ausgeklügeltem Attackensystem betrieben.

Aljoscha Jelinek betont im Interview, dass sie die Grimmschen Märchen als erste Inspirationsquelle nutzen, aber nicht nacherzählen wollen. Die zwei Kreativen sehen ihr Werk als völlig freien Remix der Originale.

Das Titelbild der Manga-Day-Ausgabe von „The Children of Grimm“.

© altraverse/Manga Day

Und der hat es in sich: Viele bekannte Märchenfiguren preschen bis zur Unkenntlichkeit verändert durch den rasanten Fantasy-Action-Plot. Unzählige Zitate und Easter Eggs gipfeln in leidenschaftlichem Klamauk. Die Liebe zum Märchendetail spürt man. Jelinek interessiert auch die Meta-Ebene. Für ihn stellen sich Fragen wie „Von wem haben die Brüder die Geschichten und wie sind sie entstanden?“

Mit Verlagsleiter Joachim Kaps entschied das Duo „Children of Grimm“ bewusst auf die Grundparameter des Shonen-Genres zu reduzieren. Die Hauptfigur kommt ganz nach den Heldenanwärtern aus Japan, wie sie dort vor einigen Jahren üblich waren. Draufgänger Boy eifert begeistert jenen zwölf mächtigen Recken nach, die das Königreich Spectasia einst vor dem Untergang retteten —  und wirft beim Training schon mal tausendjährige Eichen um.

Als es ernst wird und das Land von dunklen Mächten bedroht wird, muss Boy sich beweisen. Der Autor merkt aber an: „Auf der Basis wollen wir die Story weiter entfalten und unsere eigene Identität wird immer mehr durchscheinen.“ Auch sollen die weiblichen Figuren, die im ersten Band noch Mangelware sind, präsenter werden. „Die Mädels waren einfach zu krass für den Anfang —   die hätten den Jungs kräftig den Arsch versohlt und dann wäre die Story vorbei gewesen“, sagt Blackii augenzwinkernd. „Sie sollen nicht nur als Love Interest oder Support des Hauptcharakters dienen, sondern ihren eigenen Storybogen bekommen und richtig stark sein.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false