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Kultur: Das Gelbe geht nach Mitte

Mal ist es ein Brillenetui, das auf leichten Druck hin ein seltsames Geräusch von sich gibt, mal eine alte Schachtel, aus der bei Anheben des Deckels ebenso erstaunliche Laute dringen. Skurril sind sie schon, die Klangobjekte, die David Moss teilweise wie Ostereier in den Regalen der Gelben Musik versteckt hat.

Mal ist es ein Brillenetui, das auf leichten Druck hin ein seltsames Geräusch von sich gibt, mal eine alte Schachtel, aus der bei Anheben des Deckels ebenso erstaunliche Laute dringen. Skurril sind sie schon, die Klangobjekte, die David Moss teilweise wie Ostereier in den Regalen der Gelben Musik versteckt hat. Bis Ende Februar läuft noch die Ausstellung mit Werken des britischen Vokalartisten, und sie ist ein guter Anlass, einmal auf die kleine Ladengalerie mit dem seltsamen (auf die Farbtheorie Kandinskys zurückgehenden) Namen hinzuweisen. Denn obwohl die ambitionierte Musikalienhandlung für Neue Musik in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen feiert, obwohl hier die Stars unter den zeitgenössischen Komponisten von John Cage über Dieter Schnebel bis zu Luigi Nono ihre Partituren, Zeichnungen und was auch immer ausgestellt haben, ist der Laden von Ursula Block ein Geheimtipp geblieben. Viel mehr als ein Leuchtschild mit der sympathisch lakonischen Aufschrift „Musik“ weist nicht auf sein Vorhandensein in einem Souterrain-Raum in der Schaperstraße nahe dem Haus der Berliner Festspiele hin, und das Schaufenster, in dem gerade ein Haufen Moss-Klangutensilien in absichtsvollem Durcheinander liegen, sieht für Nichtinformierte eher aus wie das eines Trödelladens.

Dass es hier in den letzten Jahren etwas still geworden ist, liegt aber auch daran, dass die Neue Musik zusehends anderswo spielt: Sie ist aus ihren intellektuellen Festspielzirkeln ausgebrochen und hat sich gen Mitte verlagert. Dort, wo ein neues Publikum von Trainingsjackenträgern unbekümmert E-Avantgarde und DJ-Kultur mixt. Auch das Ultraschall-Festival , neben der MaerzMusik das zweite große Forum für zeitgenössische Musik in Berlin, ist diesen Weg gegangen. Dabei hat es den Festivalmachern vor allem das ästhetisch heruntergekommene Ambiente der Sophiensäle angetan. Schon die Eröffnung mit der „Schachtel“ des Fünfziger-Jahre-Avantgardisten Franco Evangelisti fand am letzten Donnerstag hier statt (noch einmal heute, Ausstellung ab 16 Uhr, Konzert ab 19 Uhr), und mit der Uraufführung der Choroper „Angst – Fünf Pforten der Angst“ durch den Rundfunkchor ist der alte Festsaal am Samstag auch Schauplatz des zweiten Ultraschall-Highlights (weitere Aufführungen 29. und 30. Januar).

Jörg Königsdorf

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