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Kriegssommer. Die Französin Marie (Adriane Grzadziel) und der österreichische Soldat Franz (Simon Morzé) in „Der Fuchs“.

© Alamode Film

Das gepanzerte Herz: Kinodrama über einen Soldaten, der einen Welpen aufzieht

Fürsorge lernen. Adrian Goigingers Historiendrama „Der Fuchs“ erzählt von einem Soldaten, den ein zugelaufenes Tier von einem Kindheitstrauma heilt.

Schwabenkinder. Unter dem Namen sind sie in Romanen und Filmen bekannt geworden, die Kinder aus bettelarmen Bergbauernfamilien des Vorarlbergs, Tirols und der Schweiz, die sich als Knechte und Mägde bei deutschen Bauern bis ins 20. Jahrhundert hinein verdingen mussten.

Dass Franz Streitberger, acht Jahre und das jüngste von zehn Geschwistern, schon bald auch so eine Art innerösterreichisches „Schwabenkind“ wird, ahnt er nicht, als er am Beginn von „Der Fuchs“ singend über eine Pinzgauer Almwiese springt: „Früher hab’n wir Buchteln gessen, heut‘, da müssen wir Wurzeln fressen.“

Der barfüßige Junge ist glücklich, weil er 31 Kartoffeln heimbringt. Dass er davon beim Abendbrot nur anderthalb zugeteilt bekommt, hält er aus. Solange nur die Mutter (Karola Niederhuber) seine fiebrige Stirn kühlt. Und der Vater (Karl Markovics) an seinem Krankenbett Sagen erzählt, wie die vom Tod, dem ein Bauer noch zwanzig weitere Lebensjahre abhandelt.

Mit acht Jahren weg von zu Hause

Umso härter trifft es Franz, als der Seiwaldbauer (Cornelius Obonya) auftaucht und ihn trotz heftiger Gegenwehr als Knecht auf seinen Hof mitnimmt. Vater und Mutter handeln aus Not. „Im nächsten Winter hättest du ihn nicht mehr durchbekommen“, sagt der Seiwaldbauer. Aber Franz erlebt diese „Verstoßung“ als abgrundtiefen Verrat. Als zehn Jahre später, 1937, mit der Volljährigkeit seine Knechtschaft endet, kehrt Franz nicht ins Pinzgau zu den Eltern zurück, sondern lässt sich vom Bundesheer anwerben.

Es ist die Geschichte seines Urgroßvaters, die der österreichische Filmemacher Adrian Goiginger in „Der Fuchs“ erzählt. In dem vielfach preisgekrönten Debüt „Die beste aller Welten“ verarbeitete er 2017 ebenfalls Familiengeschichte – seine Kindheit als Sohn einer drogensüchtigen Mutter. Und auch der Neo-Heimatfilm „Märzengrund“, in dem Goiginger 2022 von einem realen modernen Einsiedler erzählte, der in den Sechzigern in den Zillertaler Alpen der Zivilisation den Rücken kehrte, um in einer Berghütte zu leben, beschreibt eine radikale Subjektive.

Franz Streitberger (Simon Morzé) und sein Fuchs.

© Alamode Film

Aus dieser Perspektive funktioniert auch „Der Fuchs“ als Geschichte einer existenziellen Verletzung und ihrer nicht minder umwälzenden Heilung. Das Irre ist, dass sich die emotionale Verhärtung des Franz Streitberger mitten im kollektiven Trauma des Zweiten Weltkriegs löst. Also erzählt Goiginger, der neben vielen Interviews mit dem im Alter von hundert Jahren verstorbenen Urgroßvater auch andere Zeitzeugengespräche mit Soldaten geführt hat, vom Krieg, ohne einen Kriegsfilm zu drehen – und auch ohne dessen Schrecken als Kulisse auszubeuten.

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„Der Fuchs“ beschreibt das Warten in der Etappe. Die Hierarchie, die Arrestzelle, die Männlichkeitsrituale, das Außenseitertum unter Soldaten, die den Schweiger Franz als Sonderling sehen. Aber auch die gefährliche Tour, die den Motorradkurier an die Front in der Normandie führt. Und damit zum ersten Mal ans Meer. Mitsamt dem Fuchswelpen, den Franz im Wald aufliest und heimlich in Obhut nimmt. Des Tierchens wegen ist er bereit, sich mit Kameraden und Offizieren anzulegen. Des Tierchens wegen vertraut ihm die Französin Marie.

Die magischen Sommerbilder, in denen Marie, Franz und Fuchs unter dramatischen Wolken durch leuchtende Wiesen streifen, erinnern an Terrence Malicks „Ein verborgenes Leben“. Auch die verdichtete Innerlichkeit, die sich in der immer weicher werdenden Mimik des Hauptdarstellers Simon Morzé spiegelt, tut es. Nur, dass es Goiginger um Psychologie und die Zerbrechlichkeit der menschlichen Seele geht und nicht um Naturmystik und Heilslehre.

Etwas grob an die bewegende Geschichte getackert wirkt nur das Happy-end, das den Kriegsheimkehrer zwecks Kreisschlusses tatsächlich noch mal in die inzwischen verwaiste elterliche Almhütte treibt. In Wirklichkeit hat es keine Versöhnung zwischen Adrian Goigingers Urgroßvater und dessen Vater gegeben. Zum Menschen ist er dank des Fuchses trotzdem geworden.

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