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Hingabe und Versagensangst. Nina Hoss als Musikpädagogin.

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Passion und Panikattacken: „Das Vorspiel“ zeigt Nina Hoss als Geigenlehrerin mit Selbstzweifeln

Regisseurin Ina Weisse erzählt in „Das Vorspiel“ von der Musik als Leidenschaft und Leidensweg. Und vom Schmerz, den Eltern an ihre Kinder weitergeben.

Disziplin, Leidenschaft, Scheitern: Die verhärmte Klavierspielerin ist eine Paradepartie für große Schauspielerinnen, von Isabelle Huppert in Michael Hanekes Jelinek-Adaption bis zu Corinna Harfouch als „Lara“ im vergangenen Jahr.

Kristin Scott Thomas und Ursina Lardi waren 2019 ebenfalls als strenge Klavierlehrerinnen im Kino zu sehen. Aber es bedeutet oft auch ein Rollenkorsett und folgt dem stereotypen Erzählmuster, nach dem eine hochmütige, hartherzige Musikpädagogin ihre Schüler schikaniert, bis hinter der Kälte eine Frau mit tiefen Verletzungen und allzu menschlichen Blessuren zum Vorschein kommt.

Die Story um die Geigenlehrerin Anna Bronsky alias Nina Hoss verläuft ein bisschen anders. Sehr sympathisch, wie Anna beim anfänglichen Vorspiel den jungen, hypernervösen Geiger Alexander (Ilja Monti) bei der Aufnahmeprüfung gegen ihre routinierten, eher desinteressierten Kollegen (Sophie Rois, Thorsten Merten) verteidigt, sich seiner annimmt und dabei viel verlangt, aber zunächst warmherzig bleibt, beinahe mütterlich.

Was wiederum bei ihrem zehnjährigen Sohn (Serafin Mishiev) die Eifersucht weckt, der ebenfalls als Hochbegabter am Musikgymnasium unterrichtet wird. Nach und nach kommt hinter der freundlichen Fassade von Anna ein Künstlerinnendrama zum Vorschein, das auch zum Familiendrama zu werden droht.

Wer ist diese Frau, die zum Geburtstag im Familienkreis von ihrem liebevollen, französischen Ehemann (Simon Abkarian) das Revolutionslied „Les temps de cerises“ als Gitarrenständchen geschenkt bekommt? Weiche Schale, harter, wundvernarbter Kern?

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Gedreht hat Ina Weisse ihre zweite Kinoregiearbeit am Berliner Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Gymnasium, die beiden jungen Darsteller von „Vorspiel“ sind selber dort Schüler. Bekannt ist Weisse vor allem als Schauspielerin aus zahlreichen TV-Produktionen.

Als Regisseurin hat sie bereits mit „Der Architekt“, ihrem Regiedebüt von 2008 mit Sepp Bierbichler und Sandra Hüller, unter Beweis gestellt, dass sie komplizierte Familienbeziehungen sensibel ins Bild setzen kann, mit vielschichtigen Charakteren, die an sich und aneinander schier verzweifeln – und an denen man auch als Zuschauerin verzweifeln möchte.

Weisse versteht es, Nähe zu ihren zwiespältigen Figuren herzustellen, ohne vordergründig zu psychologisieren.

Ständig ist sie unterwegs

Auch Anna Bronski wird ihr Geheimnis ein Stück weit belassen; die Regisseurin und ihre Ko-Autorin Daphne Charizani kennen sie nicht besser als diese sich selbst. Nina Hoss verkörpert die Musikerin als unruhige, unstete Frau.

Ständig ist sie unterwegs, auf der Straße, mit dem Bus, im Wagen, samt Geigenkoffer auf dem Rücken. Man sieht sie auf Korridoren und in Fluren, wie sie Mantel und Schal an die Garderobe hängt und bald wieder die Tür hinter sich zuschlägt.

Ständig kommt sie irgendwo rein, ohne je anzukommen in dieser elliptischen Erzählung (Kamera: Judith Kaufmann, Schnitt: Hans-Jörg Weissbrich), um am Ende aus der sich zuspitzenden Krise mit ihrem Schüler nicht eben geläutert hervorzugehen.

Doppelte Passion

Das Leben ist kein Theaterstück, es gibt keine einfache Katharsis. Stattdessen zeichnet Ina Weisse das subtile Bild einer zweifelnden, mit sich hadernden Heldin. Und Nina Hoss macht den Kraftakt augenfällig, den es bedeutet, die eigenen Fehler nicht nur zu kennen, sondern aus ihnen zu lernen.

Auf dem Filmfest in San Sebastian gewann sie dafür den Darstellerinnenpreis. Zudem porträtiert „Das Vorspiel“ eine jener nicht gerade seltenen Familien (mit Thomas Thieme als Vater-Monster), in der die Eltern ihr Unglück an die Kinder weitergeben und damit quälen, von Generation zu Generation.

[In sieben Berliner Kinos. OmU, OmenglU: b-ware! Ladenkino]

Und die Musik? Ist Knochenarbeit. „Das Vorspiel“ romantisiert nicht, zeigt den Drill, die erhitzten Wangen, die verkrampften Schultern, die Panikattacken, das Nasenbluten, dieses Durcheinander von Hingabe, Größenwahn und Versagensangst.

Leidenschaft und Leidensweg, es ist eine Passion im doppelten Wortsinn. Dass die Geigenschüler im Film nicht simulieren, sondern ihre Instrumente tatsächlich spielen, macht den Unterricht umso spannender.

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