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Szene aus Katharina Pethkes Dokumentarfilm "Reproduktion", zu sehen im Forum der 74. Berlinale

© Fünferfilm 2024

Der Dokumentarfilm „Reproduktion“ auf der Berlinale: Kunst oder Kind

Katharina Pethke hat wie ihre Mutter und Großmutter Kunst studiert. In „Reproduktion“ erkundet sie die (Un-)Vereinbarkeit von Kreativität und Mutterschaft – und das Hamburger Hochschulgebäude, eine frühere Geburtsklinik.

Sie ist hier geboren, hat hier studiert, unterrichtete hier als Professorin und hat jetzt einen Film über Hamburger Kunstakademie gedreht. Oder genauer, über ihre Großmutter und ihre Mutter, die beide ebenfalls an der Hochschule studierten und über das Gebäude, in das die Akademie vor gut 20 Jahren einzog. Vorher war hier eine Geburtsklinik untergebracht; der Kreißsaal, in dem die Regisseurin Katharina Pethke zur Welt kam, ist inzwischen ein Kino. 250.000 Kinder wurden seit 1911 hier geboren.

Pethkes Film mit dem vieldeutigen Titel „Reproduktion“ lässt sich Zeit, um die Frage nach Künstlerinnentum und Mutterschaft zu entfalten. „Wer wird angeschaut, wer darf was zeigen?“ Die Kamera streift suchend durch die Hochschule am Lerchenfeld, der Blick schweift auch hinüber in den Park oder verweilt auf dem Secessions-Wandgemälde in der Aula der Akademie.

Es zeigt in der Mitte einen nackten männlichen Genius mit Gloriole und verhüllten Frauen dahinter. Im Flur daneben findet sich eine Mutter-Kind-Skulptur von Richard Luksch, in der die Frau ihr Glück offensichtlich in der Liebe zu ihrer Kinderschar findet.

Im Leben ist es genauso: Pethkes Großmutter schaffte es nicht, als Mutter von vier Kindern weiter als Künstlerin zu arbeiten, trotz erfolgreichem Studium. Die Enkelin sichtet Familienalben und Super-8-Videos, forscht im Hochschularchiv, befragt die Familiengeschichte über drei Generationen. Aby Warburg mag einst zur Eröffnung hier gesprochen haben, Marina Abramovićs Performance zu ihren eigenen Abtreibungen inspiriert die Studierenden heute. Aber auch Pethkes Mutter hörte mit der Malerei auf, nachdem sie Kinder bekommen hatte, trotz 68er-Revolte.

Die Ideale, die Rollenbilder, die Normen, der gesellschaftliche Wandel, die Realität: Wie fließt das ineinander, wo finden andere Lebensentwürfe überhaupt einen Raum? Pethke schaut sich dazu auch den zeitlos modernen, über 100 Jahre alten Bau des Reformarchitekten Fritz Schumacher genauer an, die frühere Geburtsklinik. Sie ist die erste in ihrer Familie, die auch nach der Geburt ihrer Kinder (Film-)Künstlerin blieb. Der Vater, heißt es einmal, ist ständig erschöpft. Aber auch er, der Bildgestalter Christoph Rohrscheidt, hat an dem Film mitgewirkt.

Die beiden reproduzieren schließlich auch ganz buchstäblich ein Kunstwerk und arbeiten am Abguss einer im Depot verschwundenen Mutter-Kind-Skulptur der Secessions-Bildhauerin Elena Luksch-Makowsky. Die sieht etwas anders aus als die Figurengruppe ihres Mannes, die nur der Mutterliebe gilt. Bei Luksch-Makowsky sorgt sich die Frau weniger um die Kleinen zu ihren Füßen, als dass ihr Blick nach oben geht, zum Vogel auf ihrer Schulter. Am Ende steht die Skulptur wieder im Park.

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