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Irgendwann flackert nichts mehr: Sven Sauers Kunstwerk zum Artensterben „Exponentiell“.

© Carsten Beier

Der Himmel unter Berlin: Lichtkunst im Hauptstadt-Untergrund

Eine Hommage an illegale Ausstellungen der 2000er: In einer geheimen Fabrikhalle zeigt das Festival „Himmel unter Berlin“ Rauminstallationen. Ein Besuch.

Ein enger Gang, Backstein. Rohre hängen niedrig von der Decke, ein rotes Licht schimmert am Boden. Am Ende des Tunnels erhebt sich eine Dampfmaschine – und ein Labyrinth aus Raumkunst.

Obskure Lichtinstallationen in düsteren Hallen gehören in der Berliner Kunstszene zum Alltag. Wirklich alltäglich fühlt es sich trotzdem nicht an, in die düsteren Katakomben zu treten, die die zweite Ausgabe des Kunstfestivals „Himmel unter Berlin“ beherbergen. In einer alten Dampffabrik an einem geheimen Ort im Berliner Osten trifft sich vom 19. Mai bis 11. Juni die Hauptstadt-Bohème. Zehn internationale Künstler:innen haben für das Fest Werke in den Kellerräumen arrangiert, die mal blinken, mal atmen, mal Rauch ausstoßen. Die Besucher:innen, je 99 dürfen gleichzeitig in die Räume, verschwimmen schwarz gekleidet in der Dunkelheit – nur sporadische rote Lampen leuchten den Weg.

Ganz schön schaurig: In den Tunneln der ehemaligen Dampfmaschinenfabrik ist es finster.

© Carsten Beier

„Himmel unter Berlin“ versteht sich als Hommage an die illegalen Ausstellungsreihen des Berliner Untergrunds zwischen 2001 und 2010. In alten Luftschutzbunkern und Kellern trafen sich Eingeweihte zu wöchentlichen Feiern, Kunst und Musik. Der Tagesspiegel nannte Treffen nach einer Polizei-Razzia den „Himmel unter Berlin“. Auch das heutige Festival gibt sich exklusiv: Tickets für das Kunstfest darf nur kaufen, wer eine sogenannte „Underground Card“ besitzt – ergo, entweder bereits ein Himmel unter Berlin-Fest besucht hat oder eine Card bei einem Partner des Festivals erworben hat. So soll sichergestellt werden, dass die treuen Anhänger:innen der Veranstaltung auch Karten erhalten können, sagt Kuratorin Clara Sauer dem Tagesspiegel. Andere Events, an denen das Team um sie und den Berliner Künstler Sven Sauer beteiligt sind („Unseen Westeros“, „Lost Art Festival“) sind oft rasant ausverkauft.

Etwas subversiv wirkt es tatsächlich, wenn die Festival-Gäste durch einen Wandschrank in in die Ausstellung klettern. Hinter den Kleiderbügeln verbirgt sich ein kleines Labyrinth aus Installationen, eine finsterer, absurder, schauriger als die andere. Ohne Karte verirrt man sich leicht in den Katakomben. In einem Raum schwanken Leuchtstäbe zu sphärischen Tranceklängen, im nächsten bläht sich eine Installation aus Plastikmüll auf. Stille Begleiterin der Besucher:innen ist stets die drohende Apokalypse – Krieg, Klimakrise, Umweltzerstörung.

Wenig subtil hat der Umweltkünstler Alvaro Soler-Arpa das Motiv der Plastikverschmutzung umgesetzt: In seinem Werk „Toxic Evolution“ hat der Spanier Tierkadaver einer Mülldeponie zu neuen Skeletten zusammengesetzt. Die Knochen, die mit Drähten zusammengehalten werden, sind gefüllt mit Abfall – Colaflaschen, Zigarettenpäckchen, Einkaufstüten. So will der Künstler die Besucher:innen beunruhigen. Das klappt.

Etwas abstrakter arbeitet Sven Sauer. In einem langen, nebligen Raum hat er dutzende Moskitolampen aufgehängt, die Gäste setzen sich auf einen Teppich darunter. Das Kunstwerk „Exponentiell“ zeigt das prognostizierte Artensterben im Jahr 2035 in Echtzeit. In dramatischer Choreografie leuchten die Lampen auf, erzeugen Lichtwellen im Raum. Nach und nach beginnen sie, zu flackern, bis sie erlöschen. Irgendwann glimmt nur noch ein einsames, blaues Licht. Die Lampe blinkt ein letztes Mal – dann ist es dunkel.

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