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Lilith Stangenberg als babylonische Herrscherin. Foto: Apollonia T. Bitzan/Volksbühne

© Foto: Apollonia T. Bitzan/Volksbühne

Mit großer Geste völlig gescheitert: „Sardanapal“ mit Fabian Hinrichs an der Volksbühne

Der Schauspieler inszeniert ein Stück nach Lord Byron mit großem Aufwand - und fährt es mit einem Lachen an die Wand. Davor kam es zum Eklat.

Es war der ausdrückliche Wunsch des Autors, dass sein Stück niemals das Licht der Bühne erblicken würde. Lord Byron schrieb „Sardanapal“ 1821 in Ravenna, der Stadt mit den herrlichsten antiken Mosaiken, drei Jahre vor seinem Tod. Und tatsächlich kam es erst in späteren Jahrzehnten zu Aufführungen des Dramas um den sagenhaften assyrischen Herrscher, den man als gottähnlichen Genussmenschen und Sexprotz betrachten kann, als Selbstporträt des Dichter-Dandys und Griechenlandkämpfers Lord Byron Superstar.

Ein Geschenk fürs Theater?

Fabian Hinrichs ist da ganz anderer Meinung als der romantisch-queere Engländer: Byron schenke dem Theater, „was es zur Kunst geraten lassen kann: sinnliche Erfahrungen, die unsere starren Verstandeswege und Denkbilder zerstören“. Der Regisseur und Schauspieler sieht „Sardanapal“ wahlweise als „burleske Tragödie“ oder „tragische Burleske“.

Dazu passt, dass ihm am Tag vor der Premiere sein Haupt- und Leibdarsteller Benny Claessens abhanden kam; auf einer der Proben kurz vor der Premiere soll es zum Eklat zwischen Hinrichs und Claessens gekommen sein. Offiziell hieß es, es gehe Claessens nicht gut. Also wieder viel los in der Volksbühne: Hinrichs aber, das weiß man von seinen Performances bei René Pollesch, besteigt so einen Achttausender auch mal solo. Aber dann entwickelt sich diese mit Spannung erwartete Premiere zu einem Desaster, bei aller Sympathie. Fabian Hinrichs muss mit Textbuch in der Hand losziehen.

Aber dann entwickelt sich diese mit einiger Spannung erwartete Premiere zu einem Desaster, bei aller Sympathie. Fabian Hinrichs muss mit Textbuch in der Hand losziehen. Und er ist gar nicht allein. Ihm zur Seite bei dem irrsinnigen Projekt steht das Jugendsinfonieorchester Berlin vom Georg-Friedrich-Händel-Gymnasium. Und über die Bretter fegen die Tänzerinnen und Tänzer des „Flying Steps“-Diploma-Programms. Sie sind bei diesem Bankett Gäste und spielen ihre Rolle mit Engagement.

Gute Laune. Im Ernst?

Das eigentliche Problem liegt darin, dass Fabian Hinrichs diese Unterrichtsstunde in Hedonismus ernst meint. Er tanzt ausgelassen zu Barry Whites „Let the Music Play“, und am Schluss steigt aus dem Orchestergraben die „Dancing Queen“ von Abba. Sehr originell. Hinrichs will gute Laune verbreiten, er hat keinen Bock auf das ewige Jammern und Maulen, er will Harmonie und Glück, wer nicht? Und er glaubt wahrscheinlich wirklich, in Byrons schwülstig schnatternden Versen eine Superdroge gefunden zu haben.

So ganz aber traut er dem orientalisierenden Kitsch mit dem König, der nicht kämpfen, vielmehr lieben und fressen und saufen will, dann nicht über den Weg. Erst nach der Hälfte der Vorstellung bringt er Byrons Poesie zu Gehör in nervigen Deklamationsarien, zusammen mit Lilith Stangenberg, die sich hier schon wieder als Muse eines großen Mannes aufopfert, wie im Kino bei „Seneca“ mit John Malkovich. Hinrichs gibt auch erst einmal eine kurze Wikipedia-Zusammenfassung der Story, bevor dieser nette Nero sich in den langen und peinlichen Feuertod mit der Geliebten stürzt.

Das Stück reiht Nummer an Nummer und macht sprachlos. Einmal setzt sich Hinrichs ans Schlagzeug und liefert mit Sir Henry am Klavier einen Rocksong ab. Ein andermal spielt Sir Henry mit den jungen Musikern Chopin, und Hinrichs breitet seine Albträume aus. Schön ist die Szene zu Beginn, als Hinrichs eine Kassiererin zum Träumen bringt und Lilith Stangenberg zur Aphrodite im Supermarkt wird. Und das bricht auch gleich wieder ab.

Was bei allen assyrischen Göttern reitet diesen wunderbaren Schauspieler, warum hilft Fabian Hinrichs niemand? Die Volksbühne ist ein Ort, an dem jeder machen kann, was er will. Und es gibt genug Leute, die das auch gut finden. Und wer will bestreiten, dass man lieber Strass hat statt Stress - und Spaß, wie Hinrichs kalauert? Aber so nicht. So viel trinken kann man nachher gar nicht, wie man sich in „Sardanapal“ winden muss. Lord Byron hatte gewarnt.

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