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Kultur: Die Kraftmeier

Rock-Posen: Twin Shadow im Berliner Lido.

Es dauert ein wenig, bis George Lewis Jr. alias Twin Shadow und sein Publikum zusammenfinden. Denn auch wenn die Discokugel an der Decke des rappelvollen Lidos stoisch ihre Runden dreht: Mit Disco ist hier zunächst nichts, ach, nicht einmal mit Pop. Anstatt des Twin-Shadow-typischen Mixes aus kühlem Wave mit Achtziger-Schlagseite, Soul und Prince zu New- Power-Generation-Zeiten gibt’s einen kraftmeierischen, kaum ausdifferenzierten Brei, der es schwierig macht, die Songs überhaupt zu erkennen.

Schade, denn das kürzlich erschienene „Confess“ wird sich nicht ohne Grund in fast allen Bestenlisten des Jahres finden. Erst mit der Zeit schälen sich die einzelnen Bestandteile heraus. Das Keyboard, das am besten ist, wenn es nicht Flächen füllt, sondern tupft. Das präzise Live- Drumming, das den Songs einen deutlich organischeren Charakter verleiht, als das auf Platte der Fall ist. Und immer wieder Lewis’ Sologitarre. Böse Zungen sagen: Er gniedelt. Klar, tut er. Aber alles andere würde irritieren, denn auch sonst schätzt der Mann aus Brooklyn eher die große als die kleine Geste, inszeniert sich als Rockstar der alten Schule.

Gegen Schluss des knapp eineinhalbstündigen Konzerts kommt die Aufforderung an die Zuschauer, ihre T-Shirts auszuziehen und den „Helicopter“ zu machen, jene also über dem Kopf kreisen zu lasen. Ein paar machen mit, doch die meisten halten ihre Oberkörper lieber bedeckt. George Lewis Jr. auch. Das liegt vielleicht auch an der Jacke, die er trägt. Da steht hinten nämlich groß „Twin Shadow“ drauf. Nein, an Ego mangelt es diesem Mann nicht. Jochen Overbeck

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