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Max Pauls „Berlin Bed #2“ von 2022 ist mit einem Immobilienbanner gepolstert.

© Courtesy the Artist and Galerie Noah Klink

Kunsttipp: Galerie Noah Klink: Die Stadt und wie man sich in ihr fühlt

In der Galerie Noah Klink kombiniert der Künstler Max Paul seine Moderne-Skulpturen mit Zeichnungen des Malers Werner Heldt.

Es kann Schinkel sein oder Mies van der Rohe oder die namenlose Investorenarchitektur, die man in Berlins innerstädtischen Neubaugebieten zuhauf findet: Der Künstler Max Paul nimmt diese unterschiedlichen Formen in sich auf, die Schinkel’schen Säulen, die klaren Linien bei Mies und die bodentiefen Fenster eines Wohnkomplexes, der bisher nur als Traum einer imaginären Familie existiert, die sich darauf freut, endlich von der Gemeinschaftsdachterrasse auf Berlin hinabzuschauen.

Max Paul, Jahrgang 1992 und aufgewachsen in Berlin, zeigt in der Galerie Noah Klink seine ebenso konzeptionelle wie haptische Annäherung an die Architekturgeschichte der Stadt. „Resting Visions“ heißt seine erste Einzelausstellung in der Schöneberger Galerie, für die er sich einen kongenialen Partner in Crime an die Seite geholt hat, den 1954 verstorbenen Maler Werner Heldt, der Berlins Häuserschluchten in zahlreichen Bildern und Zeichnungen festgehalten hat, allerdings nicht wie sie waren; eher so, wie er, als Kriegsveteran, sie sah: leer, kalt und psychotisch.

Unbehaustheit in der Stadt

Paul kombiniert in den beiden Räumen der Galerie zwei von ihm in den Originalproportionen nachgebaute Mies van der Rohe „Barcelona“-Liegen mit einem siebenteiligen Bilderzyklus von Heldt. Pauls Liegen (je 8500 Euro) sind Skulptur und Sitzmöbel zugleich. Gepolstert nicht mit schwarzem Leder, wie bei Mies, sondern mit auf Baustellen geklauten Werbebannern für Immobilienprojekte, die Renderings von zukünftigen Wohngebäuden zeigen, samt potenzieller Bewohner, die sich in Yogapose auf dem Balkon strecken.

Es ist eine glattpolierte, formatierte Vision von Berlin, die Paul als studierter Architekt und professioneller Fotograf kritisch hinterfragt, zumal im Lichte früherer Architekturvisionen wie sie verkörpern.

[Alle Folgen des True-Crime-Podcasts Tatort Berlin des Tagesspiegels finden Sie hier]

Von Heldt sind die gerahmten Blätter einer lithografischen Mappe von 1949 zu sehen, die einzige Farbmappe, die von ihm existiert (35 000 Euro). Galerist Noah Klink hat sie aus dem Bestand der Charlottenburger Traditionsgalerie Brusberg entpacken dürfen, die Heldts Arbeiten seit langem im Programm hat. Es sind sieben Stadtansichten inklusive Deckblatt, die Berlins Mietskasernen, S-Bahnbögen und Straßenschluchten in bunten Farben und klarem Strich zeigen, während eine, manchmal brandrote, Flut durch die ansonsten leeren und für die Nachkriegszeit unrealistisch intakt dargestellten Straßenzüge wogt.

Psychogramm des eigenen Selbst

Heldt wuchs in Berlin- Mitte im Pfarrhaus der Parochialkirche auf. Als junger Mann wurde er zur Wehrmacht eingezogen, geriet in britische Kriegsgefangenschaft und hatte später, zurück in Berlin, eine kurze, produktive Schaffensphase, durchsetzt von Krankheit und psychischen Problemen. Mit 50 Jahren starb er an einem Schlaganfall.

[Bis 8. 10., Galerie Noah Klink, Kulmer Straße 17, Di-Sa 12-18 Uhr]

Heldts Zeichnungen sind ein Psychogramm der zerstörten Stadt und des eigenen fragilen Selbst. Und ähnlich subjektiv geht auch Paul mit seinem Untersuchungsgegenstand, dem bebauten Berliner Stadtraum, um. Er schürft aus seiner eigenen Begegnung mit der Stadt und aus dem Repertoire der Vergangenheit mit ihren unterschiedlichen Utopien und Visionen. Eine auf einen Spiegel aufgebrachte Kosmetik-Gesichtsmaske zeigt ein Stück vom Brandenburger Tor auf einem Immobilienwerbeprospekt.

Als Besucherin kann man sich in dieser Maske spiegeln und sich fragen: Wo bleibe ich, in dieser Stadt, mit ihren Wohnungen, die ich mir nicht leisten kann oder will, mit den kommerziellen Träumen von Investoren, die so leblos sind wie Heldts gemalte Straßen?

Beide Werkserien, die des Älteren und die des Jüngeren, verleihen sich gegenseitig Tiefe, sie sinnieren über die Leere, die bebaut, real oder seelischer Natur sein kann – Zustände, die sich manchmal gegenseitig bedingen.

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