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Kultur: Handeln ohne Haftung

Doku zum Bankencrash: „Master of the Universe“.

Früher waren sie die schillernden Stars der Hochfinanz, dann wurden sie zu den bösen Buben der Krise. Ans Licht der Öffentlichkeit kamen sie immer erst dann, wenn sie aus dem System herauskatapultiert wurden. Auch Rainer Voss ist so ein Ex-Investmentbanker ohne festen Posten. Dafür steht der jugendlich wirkende Mann mit Windjacke, feinem Schal und modischer Brille für den Dokumentarfilm „Master of the Universe“ in einem leergeräumten Bürogebäude, das sein einstiger Arbeitsplatz hätte sein können.

Dass ein Drittel der Gebäude des Frankfurter Bankenviertels mittlerweile leerstehen, sieht man ihren verspiegelten Fassaden nicht an. Dass sich die Branche auch sonst abschottet, bekam Regisseur Marc Bauder zu spüren, als er über das Innenleben der Finanzwelt zu recherchieren begann. Mehrfach hatte sich der ehemalige BWL-Student filmisch (zuletzt in „Das System“ 2011) mit wirtschaftlichen Themen beschäftigt. Diesmal kam er über die Empfangshallen der Banken nie hinaus. Und es dauerte lange, bis Bauder mit Rainer Voss überhaupt einen Aussagewilligen gefunden hatte. Und der trägt den Film jetzt ganz allein.

So stapft Voss in den verlassenen Trading Floors und Konferenzräumen umher und erzählt schnoddrig davon, wie rasend schnell er aus kleinen Verhältnissen in die Sechsstellen-Gehälter-Zone aufstieg. Und welche Geschäftsmodelle derlei finanzielle Erfolge möglich machten – und von ihrer Beschleunigung und Verflechtung, die faktisch und juristisch abgesicherte Deals kaum noch zulässt.

Zweimal skizziert er dabei mit dem Marker Formeln an die Fensterscheibe, es geht um Zinswetten und Abschreibungen aus der Eurorettung. Doch die Zahlenspielereien bleiben Dekoration im steten Wechsel zwischen oberflächlich abgehandelten Kampfschauplätzen. Viel Substantielles aus dem Bankenwesen teilt Voss nicht mit; dass er Ross und Reiter nicht nennt, war die Bedingung für seinen Auftritt vor der Kamera. Doch auch Bauder scheint nicht recht zu wissen, wohin er will mit dieser One-Man-Show, deren Monologe nur durch Schwenks über Hochhausfassaden unterbrochen werden.

Bei dem derart komplexen ökonomischen Krankheitsbild hätte es eine zweite oder dritte Meinung durchaus gebraucht. Die im Film implizite Suggestion jedenfalls, nur Insiderwissen trage zur Erhellung des Finanzsektors bei, mystifiziert ihn bloß noch mehr – ebenso die mal fatalistischen, mal idealistischen Bekenntnisse des redseligen Ex-Bankers. Die Alternative? Gute Bücher zum Thema gibt es genügend. Silvia Hallensleben

In den Kinos FT Friedrichshain, Kant, Lichtblick, Passage; OmU im Eiszeit und fsk

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