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Auch als Ausflugsziel zu empfehlen: Das Britzer Schloss in Neukölln.

© Jens Ferchland

Ist Wilhelm Busch heute noch spannend?: Winzige Comics, Sütterlinschrift und Klischees satt

Wilhelm Busch ist Vorbild und Anti-Held zugleich. Zwei Zeichnerinnen schauen dem Comic-Vater im Neuköllner Schloss Britz auf die Finger.

Eine Kolumne von Birgit Rieger

Natürlich ist das total fies, was Wilhelm Busch da zeichnet und eigentlich auch gar nichts für Kinder. „Max und Moritz“ ist trotzdem Weltliteratur, Weltkinderliteratur geworden. Ich erinnere mich nicht, was mir diese streichespielenden Jungen als Kind bedeutet haben, wohl aber, dass ich den mit dem blonden, abstehenden Zopf allein optisch sehr rätselhaft fand. Was sagt uns Wilhelm Busch heute noch, fragt eine Ausstellung im Schloss Britz.

Auf den ersten Blick wirkt die Präsentation in den kleinen Räumen bieder. Aber lässt man sich auf die winzigen Comics auf braunem Papier ein, ziehen einen die wilden Szenen und die Reime in Sütterlinschrift schnell in den Bann. Die Kuratoren haben Original-Zeichnungen Buschs – und gar nicht nur die bekanntesten Geschichten – mit Blättern der beiden Künstlerinnen Friederike Feldmann und Anna Faroqhi kombiniert, die sich direkt auf Busch beziehen. Das ist sehr gut gemacht. Und die Kommentierung ist auch das, was Busch dann spannend macht.

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In Buschs Bilderserien wird die ganze Zeit gekloppt, genötigt, geschlachtet. Alle wollen essen oder Sex haben oder faul rumliegen und sind beim Ausloten ihrer Triebe furchtbar erbärmlich – und auch ein bisschen lustig.

Dagegen steht Buschs zeichnerisches Können, sein expressiver Strich, sein Idee des Seriellen, sein Gespür für menschliche Untiefen. In allen Figuren steckt auch ein bisschen der Zeichner selbst. Der kettenrauchende Alkoholiker mit Bindungsangst und kindlicher Gewalterfahrung hat wahrscheinlich genauso unerbittlich auf sich selbst geschaut wie auf seine Mitmenschen.

In seinen Geschichten sind alle böse oder zumindest unsympathisch oder eben – weiblich. Busch war nicht nur Zyniker sondern auch Frauenfeind, Rassist und Antisemit. Hätte man etwas wie sein „Naturhistorisches Alphabet“ bei der Documenta entdeckt, unkommentiert, es hätte zum Skandal gereicht.

Anna Faroqhi bringt Buschs Stereotype gegenüber Afrikanern und Juden in ihrem eigenen Comic direkt zur Sprache, stellt den Zeichner zur Rede, etwa weil auch er, mit seinen scheinbar lustigen Bildchen, den Hass gegen Juden salonfähig gemacht hat. Friederike Feldmann hat die Story vom rasenden Klavierspieler neu interpretiert. So schaut man nochmal neu auf Buschs große Animationskunst. Busch sagt uns heute noch etwas. Aber sicher Anderes als zu seiner Zeit.

Riegers Runde mit Inspirationen aus der Berliner Kunstszene erscheint jeden Mittwoch.

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