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Hamid Reza Abbasi als Amir im iranischen Filmdrama "Leere Netze"

© Hamid Janipour/Port au Prince Pictures

Junges iranisches Kino: Das Wasser bis zum Hals

Zwei lieben sich und dürfen es nicht: Behrooz Karamizades Arthouse-Drama „Leere Netze“ erzählt von jungen Menschen im Iran, denen die Zukunft geraubt wird.

Das Brautgeld ist viel zu hoch. Amir (Hamid Reza Abbasi) liebt Narges aus reichem Hause (Sadaf Asgari), unbeschwert tollen sie am Felsenstrand des Kaspischen Meers herum. Auch wenn Narges kurz um ihren Liebsten bangt, als der allzu lange unter Wasser verschwindet. War nur ein Scherz!

Die beiden wissen um die Hürden, die ihre Liebe nehmen muss, sie müssen sich heimlich treffen, auf einem improvisierten, mit geblümtem Tuch umhüllten Sofa in einer unwirtlichen Neubauruine. Trotzdem sind sie zuversichtlich. Narges trägt das Kopftuch locker, auch auf dem Motorrad, Amirs Gefährt der Freiheit. Eine selbstbewusste junge Frau, die ihrem Vater fürs erste die Stirn bietet, als die Familie sie an einen wohlhabenden Bräutigam verheiraten will.  Und ein unerschrockener junger Mann: Nachdem er seinen Kellnerjob wegen Aufmüpfigkeit verloren hat, malocht Amir als Fischer weit außerhalb der Stadt, um schnellstmöglich um Narges’ Hand anhalten zu können.

Eine Jugend ohne Zukunft. Bedrängt von Klassenunterschieden, überkommener Tradition, Korruption, politischem und ökonomischem Druck: In seinem Langfilmdebüt „Leere Netze“ findet der deutsch-iranische Regisseur Behrooz Karamizade, der mit der Familie Mitte der 80er Jahre als Kind nach Deutschland kam, starke Bilder dafür. Vor allem, als sein Protagonist sich in einer Fischerei am Meer zu verdingen beginnt.

Es sind Bilder aus einer unbarmherzigen Arbeitswelt, Amir lebt jetzt in einer rauen Männergesellschaft in Ölhäuten. Die engmaschigen Netze, die im eiskalten Wasser gerafft und von Plastikmüll befreit werden müssen (das dann gnadenlos wieder ins Meer entsorgt wird); die wimmelnden Fische, die nach Luft schnappen und auf dem Boden der Markthalle herumglitschen; die Wettspiele im Bassin der Barackensiedlung, bei denen Aale mit bloßer Hand gefangen werden müssen; die Nacht- und Nebelaktionen der Stör-Wilderer, die illegal mit Kaviar dealen, um ihren kargen Lohn aufzubessern: All das verschafft einem eine Ahnung von den erstickenden Verhältnissen, denen Amir und Narges so etwas wie eine Zukunft abtrotzen wollen. Und vom Leben einer jungen Generation, der das Wasser bis zum Hals steht.   

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„Niemand kann tun, was er will. Alle stecken fest“, heißt es einmal. Man glaubt es kaum, aber Karamizade konnte seinen Film komplett in Iran realisieren, mit Dreherlaubnis, auch dank der Unterstützung seines Kameramanns Ashkam Ashkani, der unter anderem mit dem Goldbären-Gewinner Mohammad Rasoulof gearbeitet hat. Rasoulof hat sich von der Zensur nie einschüchtern lassen, 2022/2023 saß er wieder im Gefängnis, ebenso wie Jafar Panahi. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass „Leere Netze“ je in den iranischen Kinos läuft.  

Ein Leben ohne Perspektive. Amir droht Narges zu verlieren, denn er verstrickt sich in die kriminellen Machenschaften der Fischer. Seinem Freund, dem regimekritischen Blogger Omid (Keyvan Mohammadi) kann er ebenfalls nicht helfen, als der vor den Schergen des Regimes übers Meer zu flüchten versucht. Schließlich dreht Narges ihm endgültig den Rücken zu.

„Leere Netze“ schildert die Tragödie einer Liebe, die an der Realität erstickt. Ein Film über die Dunkelheit, der dennoch die Hoffnung nicht aufgibt, die verzweifelte Hoffnung auf Selbstbefreiung.

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