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HANDOUT - 26.01.2021, ---: Laurence Fishburne (v.l.n.r.) als Bowery King, Keanu Reeves als John Wick und Ian McShane als Winston in einer Szene des Films «John Wick 4» (undatierte Filmszene). Der Film kommt am 23.03.2023 in die deutschen Kinos. (zu dpa Kinostarts) Foto: Murray Close/Leonine/Lionsgate/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über den Film und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

© Murray Close/Leonine/Lionsgate

Keanu Reeves ist John Wick: Alter schützt vor Kugeln nicht

Der Erfolg der „John Wick“-Filme ist rätselhaft, hat aber viel mit seinem Hauptdarsteller zu tun. Der vierte Teil führt Keanu Reeves auch nach Berlin.

Von Andreas Busche

Man muss im achten Jahr der „John Wick“-Saga vielleicht noch einmal an die origin story dieses Kinohelden erinnern. Im ersten Film von 2014 zog Keanu Reeves in den Krieg gegen die Geheimbund-ähnliche Verbrecherorganisation Hohe Kammer, weil jemand seinen Hundewelpen getötet hatte – ein Geschenk von Johns verstorbener Frau Helen. Die Eskalationsdynamik hat seitdem eine absurde Entwicklung genommen. Wortkarge Auftragskiller in schwarzen Anzügen, die eine Spur der Verwüstung hinterlassen, gab es in der Kinogeschichte häufiger. Für Lee Marvin ging es in „Point Blank“ aber immerhin noch um (vergleichsweise läppische) 50.000 Dollar, die ihn bis vor den Schreibtisch eines entgeisterten Syndikatsbosses führten.

Auf den Hund gekommen

An John Boormans Klassiker und an John Wicks Beagle-Welpen muss hier erinnert werden, weil der Auslöser des Rachefeldzugs im vierten Film keine Rolle mehr spielt. (Im Vorgänger war noch der Hund der von Halle Berry gespielten Killerin Sofia Anlass für ein hübsches Blutbad in der Kasbah.) Und natürlich, weil wortkarge Anzugkiller keine Erfindung von Quentin Tarantino sind, dessen stilisierte Gewaltfantasien immer wieder als Referenz genannt werden.

Wieso also ausgerechnet die „John Wick“-Filme eine solche Eigendynamik annehmen konnten, bleibt rätselhaft. Das Original performte an den Kinokassen moderat, aber jede Fortsetzung wurde noch etwas erfolgreicher (und länger) als der Vorgänger. „John Wick: Kapitel 4“ dauert nun 165 Minuten. Viel passiert ist in acht Jahren nicht, aber darum ging es in der Reihe auch nie.

Die Filme sind, vergleichbar mit einem Videospiel, eine Aneinanderreihung von Kampfszenen und Schießereien vor wechselnden Kulissen. „Kapitel 4“ spitzt diese Logik weiter zu, in der letzten Stunde muss sich Keanu Reeves durch Paris kämpfen. Das Highlight ist ein Action-Tableau am Arc de Triomphe, das durch den Verkehr noch eine erhöhte Schwierigkeitsstufe mit sehenswerten Mensch-Metall-Karambolagen eingebaut hat. Am Ende seiner Odyssee erwartet ihn ein Duell mit dem Hohe-Kammer-Statthalter Marquis de Gramont (Bill Skarsgård). Der finale Parcours über die 222 Stufen hoch zum Montmartre (und wieder runter; und noch einmal hoch) steht sinnbildlich für das unkaputtbare Stehaufmännchen John Wick. Der Weg ist das Ziel.

Actionheld im zweiten Frühling

Die Popularität der „John Wick“-Filme hat natürlich viel mit Keanu Reeves zu tun, der momentan noch keine digitalen Verjüngungskuren nötig hat – er lässt sich einfach einen Bart wachsen. Reeves hat lange vom popkulturellen Kapital der „Matrx“-Reihe gezehrt, an seine Erfolge in den 1990er Jahren konnte er nicht mehr anknüpfen. Zuletzt schien er mit den „Bill & Ted“- und „Matrix“-Sequels bereits eine Nostalgie-Ehrenrunde zu drehen. Man gönnt ihm sein Box-Office-Comeback als Typus des Actionhelden im zweiten Frühling (zuletzt verkörperte Bob Odenkirk diese Liam-Neeson-Figur).

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Dass Reeves vor gut zehn Jahren mit seinem Dokumentarfilm „Side by Side“ ein höchst informiertes Plädoyer fürs analoge Filmemachen gedreht hat, wirkt vor dem Hintergrund der „John Wick“-Filme allerdings bizarr. Ob die Sacré-Cœur, über der zum Showdown die Sonne aufgeht, echt ist oder nur eine Greenscreen-Projektion, ist letztlich unerheblich. „Kapitel 4“ hat sich vom realistischen Actionkino eines Michael Mann oder Christopher Nolan denkbar weit entfernt. Regisseur (und Ex-Stuntman) Chad Stahelski zelebriert in seinem dritten Wick-Film die Materialität computergenerierter Oberflächen, die ein wenig an Zack Snyders Digital-Epos „300“ erinnert.

Babylon und Berghain

Die Szenenbilder entbehren jeder erzählerischen Logik, sehen aber spektakulär aus. In Tokio schaltet der schier unverwundbare Wick an der Seite der Mafia-Tochter Akira, gespielt vom japanischen Popstar Rina Sawayama, in einem Samurai-Museum Heerscharen von maskierten Schergen mit Kopfschuss aus. Und bei seinem Berlin-Abstecher schießt er sich, natürlich, durch einen Nachtclub zwischen Babylon und Berghain (mit einem Cameo von Sven Marquardt), für den die Alte Nationalgalerie und das Kreuzberger Kraftwerk Pate stehen.

Doch zwischen diesen oft länglichen Szenen passiert wenig. Emotional steht in „Kapitel 4“ nichts auf dem Spiel – auch wenn sogar Helen Wick (Bridget Moynahan, ohne Hund) einen Kurzauftritt hat. Umso bewegender ist dafür der Auftritt des vor wenigen Tagen verstorbenen Lance Reddick als treuer Wegbegleiter von John und Winston (Ian McShane), dessen schweigsame Autorität den Wick-Filmen eine Gravitas verliehen hat. Aber so leicht ist auch Reddicks Charon nicht totzukriegen: Ein Spin-off soll bereits abgedreht sein.

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