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Karla Wenzel nennt sich als Musikerin Kiki Bohemia.

© Tobias Vethake

Kiki Bohemia und ihr neues Album: Vom Sammelsurium zum Song

Bassgewummer, Gitarrendrones, Avantgarde-Gesang: Nach langer Pause bringt die Berliner Musikerin Kiki Bohemia mit „Those Are Not Songs“ ihre zweite Platte heraus. Eine Begegnung.

Im Internet lassen sich die Sessions immer noch finden, die Kiki Bohemia im Frühjahr 2020 täglich spielte. Die Corona-Pandemie brachte zu der Zeit das Kulturleben weitgehend zum Erliegen und auch der Musikerin Kiki Bohemia wurden sämtliche Auftritte gestrichen. So begab sie sich an 56 Abenden hintereinander gemeinsam mit ihrem Partner Tobias Vethake alias Sicker Man in ihr Studio, das sich in ihrer Wohnung befindet, und streamte aus diesem täglich etwa halbstündige Lockdown-Jams.

Auf den Videos sieht man immer denselben Raum, der vollgestellt ist mit allen nur erdenklichen Instrumenten und in dem Sicker Man die meiste Zeit sein elektronisches Cello traktiert und Kiki Bohemia den Bass zupft und singt. Dazu pluckern diverse Synthies und Drumcomputer.

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Sie arbeiten sich durch Songs wie „Wish You Where Here“ von Pink Floyd bis hin zum Uraltklassiker „We‘ll meet again“ und ständig fragt man sich, wie es möglich ist, dass gerade mal zwei Personen ausreichen, um einen derart voluminösen Sound zu erzeugen, der intime Songmomente mit reinen Lärmpassagen zu verbinden vermag.

Kiki Bohemia, die eigentlich Karla Wenzel heißt, sagt, diese Sessions und überhaupt Corona seien nicht unwichtig, um zu erklären, warum es ausgerechnet jetzt endlich ein weiteres Album von ihr gibt. Immerhin ist es ganze 15 Jahre her, dass ihre erste und bis jetzt einzige Platte unter dem Namen Kiki Bohemia erschienen ist. Sie schreibe eigentlich keine Songs, erklärt sie, sie sammle eher Sounds.

Lustig und selbstironisch

In den letzten Jahren sei so ein „riesiges Sammelsurium“ an diversen Klängen auf den Speicherkarten ihres Diktiergeräts zusammengekommen. Die Idee, daraus tatsächlich ein Album zu formen, die Puzzleteile ineinanderzufügen, sei dann während der Coronazeit gekommen. Bei den Jams in der eigenen Wohnung mit Sicker Man und weil sie als temporär arbeitslose Musikerin mehr als genug Muße fand, sich auf die Fertigstellung eines Albums konzentrieren zu können.

In dem Café im Prenzlauer Berg, in dem man Karla Wenzel trifft, war früher ihre Lieblingsvideothek. Inzwischen ist die Musikerin nach Wedding gezogen. Sie ist eine ziemlich lustige und zur Selbstironie fähige Person. Ständig kokettiert sie damit, dass zu ihrem nächsten Konzert in Berlin, auf dem sie ihre neue Platte mit dem Titel „Those Are Not Songs“ präsentieren wird, eh kein Mensch kommen werde.

Ihre Platte werde außerdem niemand hören wollen, genausowenig wie all die Tonträger des Labels, das Sicker Man betreibt, der ihr Ehemann ist und mit dem sie auch gemeinsam ihr neues Album aufgenommen hat. „Wir machen immer Witze, dass wegen all den unverkauften CDs und Schallplatten von Sicker Mans Label, die sich bei uns in der Wohnung stapeln, irgendwann der Boden einbricht“, sagt die Endvierzigerin mit dem Sinéad O‘Connor-Gedächtnis-Haarschnitt.

Sie macht aber auch klar, dass sie auf einen wie auch immer gearteten Erfolg als Popmusikerin gar nicht angewiesen ist. Sie, genau wie ihr Mann, ist gut ausgelastet mit Arbeiten fürs Theater und dem Komponieren von Filmsoundtracks. Außerdem sei sie aktiv in „1000 unterschiedlichen Bands“ und nennt konkret das noisige Drone-Projekt Slutty Clowns und die Neokrautrock-Combo Trialogos, mit denen sie viel auf Tour sei. Immer gemeinsam mit Sicker Man, versteht sich, mit dem sie, ihren Worten gemäß, eine „symbiotische Beziehung“ führe. Eine solche sei auch beim gemeinsamen Musizieren hilfreich. „Wenn ich zu Sicker Man sage, der Bass muss ballern, weiß er, was das bedeutet“, sagt sie.

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Ihr neues Album nennt sie selbst „eine ganz schöne Reise.“ Was es ziemlich gut trifft, die Platte ist tatsächlich ein echter Hörtrip geworden. Da werden Klangschichten übereinander gelegt, dronige Gitarrenriffs aufgefahren, Bassgewummer und immer wieder Cello-Klänge dazwischen geblendet. Das erzeugt einen geradezu cineastischen Überwältigungseffekt und doch schälen sich, dem Titel des Albums zum Trotz, echte Popsongs aus den Klangschlieren.

Kiki Bohemia singt dazu wie eine Kate Bush, die sich nun endgültig der Avantgarde verschrieben hat. In der ihr typischen Augenzwinker-Manier beschreibt sie die Nummern auf ihrem Album als „recht minimalistische Kompositionen, die soundmäßig aber doch so viel hermachen, dass man gar nicht merkt, dass sie immer über denselben Loop laufen.“

Sie ist in gleich zwei musikalischen Haushalten aufgewachsen. Ihr Vater ist der ostdeutsche Liedermacher Wenzel, ihr Stiefvater war Teil des Folk-Duos Zupfgeigenhansel. Dennoch sagt sie selbst von sich, „keine virtuose Instrumentalistin“ zu sein. Dilettantisch sei vielmehr ihr Umgang mit Klangerzeugern, aber immerhin ist sie dann eine Multi-Dilettantin, denn kaum ein Musikgerät ist sicher vor ihr.

„Alle meine Instrumente sind dabei eher zufällig zu mir gekommen“, erzählt sie, „meine erste Orgel stand bei meinem Nachbarn vor der Tür zum Verschenken. Mein erstes Diktiergerät habe ich im Club White Trash unter dem Tisch gefunden. Und meine Drum Machine habe ich meinem Grasdealer abgequatscht.“ Auf ihrem relativ neu zu ihr gekommenen Bass zupfe sie nun zwar nur eine Saite, „das aber gut.“

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