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Kinder mit einem Tablet

© picture alliance/dpa/BKK Mobil Oil

Kinder und Smartphones : „Cool! Uuhh! Oh, geil, zeig noch mal“

Kinder wachsen schon im Vorschulalter mit digitalen Medien auf. Nun warnt eine Schulleiterin: „Wir verlieren unsere Kinder.“

Eine Kolumne von Caroline Fetscher

An einer Straßenecke im Berliner Stadtteil Schöneberg stecken vier Jungs die Köpfe zusammen. Sie sind etwa acht Jahre alt, die Schule ist gerade aus. Dichtgedrängt scharen sich die Kinder um das Display eines Smartphones in der Hand eines der Jungen.

Auf dem Bildschirm zu sehen sind, wie eine Passantin bemerkt, pornografische Szenen, Großaufnahmen von weiblichen Intimbereichen. Die Kinder sind fasziniert: Cool! Uuhh! Oh, geil, zeig nochmal! Eh, iihh! Nochmal, nochmal!  

Die Szene ist 15 Jahre her. Oha, dachte die Passantin, das ist ja erschreckend, wo soll das enden. Sie dachte all das, was analog großgewordene Erwachsene so denken, wenn sie dem Kulturpessimismus erliegen.  

Die Jungs von damals sind längst erwachsen, und das Internet hat sich zu einem Kosmos von unvorstellbarer Dimension ausgedehnt. Damals klangen konservative Warnungen altbacken. Heute warnen praxistrainierte Fachkräfte vor dem destruktiven Potential des anarchischen, unregulierten Cyberspace.

Realistisch und radikal klärt Silke Müller auf. Die Schulleiterin ist Niedersachsens Digitalbotschafterin, ihr Warnruf an die Erwachsenen lautet: „Wir verlieren unsere Kinder“. Es ist der alarmierende Titel ihres Buches, und für Alarm gibt es Anlass. 

Nicht nur Cybergrooming besorgt die Autorin, das Anlocken von Kindern, um Sexualstraftaten zu begehen, ebenso Cybermobbing, das Bloßstellen von Kindern durch andere Kinder.  

Mindestens so bedrohlich sind die Inhalte, brutalste Videos, die Kinder einander „zum Spaß“ zusenden: Da wird eine Katze im Mixer zerhäckselt, ein Mann wird kastriert, es gibt Folterszenen, sexualisierte Gewalt. Zu Recht rehabilitiert die Autorin den Begriff „Verrohung“.

Die Bilder sind nicht aus der Psyche zu löschen wie von einer Festplatte, und um sich davor zu schützen, schotten Kinder sich ab - und stumpfen ab. Zugleich unterscheiden sie kaum mehr zwischen digital und analog. Diesen seelischen Klimawandel der jüngeren Generationen verkennen die meisten Erwachsenen, ob in Familien, Schulen oder in der Politik.  

Gebraucht wird eine Informationsoffensive, Programme wie Law4school.de müssen flächendeckend Norm werden. Ein derart klares Plädoyer für einen Bewusstseinsschub im Umgang mit dem Netz war fällig.   

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