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Der georgische Filmemacher Otar Iosseliani.

© Mike Wolff TSP

Kinomagier aus Georgien: Otar Iosseliani im Alter von 89 Jahren gestorben

Politisch erzkonservativ, als Filmemacher ein Anarchist: Der georgisch-französische Regisseur beschwor eine im Verschwinden begriffene Welt und verblüffte mit der Poesie seiner Tragikomödien.

Der georgisch-französische Filmemacher Otar Iosseliani ist tot. Wie der Tagesspiegel aus Filmkreisen erfuhr, starb er am Sonntag im Alter von 89 Jahren.

Zu den bekanntesten Werken des in Tblissi geborenen und wegen politischer Repressalien 1982 nach Frankreich ausgewanderten Regisseurs zählen „Es war einmal eine Singdrossel“ (1970) und „Die Günstlinge des Mondes“, eine verwickelte Geschichte über einen Kunstdiebstahl in seiner Wahlheimat Paris, die 1984 beim Filmfest Venedig den Großen Preis der Jury gewann. Mit „Jagd auf Schmetterlinge“, der ebenfalls in Venedig lief, gewann er 1992 den Großen Preis der Berliner Akademie der Künste. 2002 wurde er auf der Berlinale für „Montag Morgen“ mit einem Silbernen Bären für die beste Regie ausgezeichnet.

Iosselianis Regiedebüt „April“ war Anfang der 1960er Jahre wegen „Formalismus“ verboten worden. Er arbeitete daraufhin eine Zeitlang als Matrose und als Metallarbeiter. Auch nach seiner Emigration machte er keinen Hehl aus seiner Überzeugung als bekennender Monarchist. Seine Kinobilder hingegen kannten kein Klassenbewusstsein, sie hatten oft etwas Anarchisches.

So feierten Iosselianis Werke mit einer fliegenden, schwebenden Kamera von William Lubtchansky nicht nur eine im Verschwinden begriffene Welt, sondern zugleich das einfache Leben, etwa den Alltag im Dorf. Immer wieder verteidigten seine poetischen, mit Wehmut grundierten Tragikomödien die Magie der kleinen Dinge gegen den Turbokapitalismus. In „Jagd auf Schmetterlinge“ trat er selbst als Offizier auf, als Geist vergangener Zeiten, der eine alte Gräfin im heruntergekommen französischen Chateau beim Betrachten verblichener Fotos heimsucht.

„Alles, was in meinen Filmen geschieht, dreht sich um die Schwäche des Menschen für den Besitz“, sagte Iosseliani einmal. Eine Schwäche, die dazu beitrage, „die wahren Werte wie Gefühle zum Verschwinden zu bringen“. Die mäandernde Erzählweise, die schwebende Kamera, ein magischer Realismus osteuropäischer Prägung: Mit Iosseliani wurden sie zum Markenzeichen des georgischen Autorenfilms. In seiner Tradition stehen auch jüngere Werke wie Alexandre Koberidzes Sommermärchen „Was sehen wir, wenn wir zum Himmel schauen?“

Gut 20 Spiel- und Dokumentarfilme hat Otar Iosseliani gedeht. Für seinen Spielfilm „Brigands“ über die Geschichte seines Heimatlandes war er nach dem Ende des Kalten Kriegs nach Georgien zurückgekehrt, zuletzt 2010 für seine autobiografisches Werk „Chantrapas“ über einen von der Zensur schikanierten Regisseur. 2011 hatte das Filmfest München ihn mit den Cine Merit Award für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

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