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Wanda Osiris (rechts) im Freunden am Strand in Italien.

© IMAGO/Cola Images

Kolumne „Der Klassiker“ (Folge 34): Einblicke in die Kitschecke

Wenn die Opernhäuser geschlossen sind und die Sinfonieorchester schweigen, wagt es auch der Klassikkritiker mal, in Melodien aus goldenen Unterhaltungsmusik-Zeiten zu schwelgen.

Eine Kolumne von Frederik Hanssen

Sämtliche großen Klassikinstitutionen Berlins sind jetzt in der Sommerpause. Da kann es sich auch der Klassikkritiker erlauben, mal einen Moment durchzuatmen. Um sich - verzeihlich vergnügungssüchtig – der ganz privaten Kitschecke zuwenden.

Die ist in meinem Fall wohlgefüllt mit so allerlei Abseitigem aus der Welt der leichten Unterhaltung. Als besonders beglückend empfinde ich an lauen Juliabenden beispielsweise jene Stimmen, die verführerisch aus goldenen Zeiten von vor 100 Jahren zu uns herüberklingen.

Wer Max Raabe mag, wird Al Bowlly lieben

Da ist zum Beispiel der unwiderstehliche Schmeichelsound von Al Bowlly. Keiner sang samtweicher ins frisch erfundene Mikrofon als der 1898 in Mosambik geborene und in Südafrika aufgewachsene Sohn griechisch-libanesischer Eltern. Seine ersten Platten hat er 1927 in Deutschland aufgenommen, später war er ein Star vor allem im englischen Sprachraum. Wer Max Raabe mag, wird Al Bowlly lieben!

Wie er „If I had you“, „Easy to love“, „Blue Moon“ oder „Midnight, the stars and you“ singt, ist schlicht umwerfend. Für Al Bowlly wurde damals der Begriff „Crooner“ erfunden – dessen deutsche Übersetzung „Schnulzensänger“ keineswegs die Qualitäten der Herren mit den sanften Gesangsstimmen zu erfassen vermag, zu denen auch Bing Crosby, Frank Sinatra und Charles Aznavour gehören.

Große Diva der italienischen Revue

Unter den großen Revue-Diven des frühen 20. Jahrhunderts habe ich erst jüngst Wanda Osiris für mich entdeckt. Ein fantastischer Name, der schon für sich allein eine Attraktion ist. Weil er nach Glitzer und Glamour klingt, Talmi und Tamtam, Showtreppe und Federboa. Und genau in diesem Ambiente fühlte sich die 1905 als Anna Menzio geborene Italienerin wohl.

Bis weit in die Fünfzigerjahre war La Osiris in ihrer Heimat populär, auf der Bühne, im Kino, im Radio wie später auch im Fernsehen. Man muss sie sich als eine mediterrane Mischung aus Fritzy Massary und Marika Rökk vorstellen, die mühelos Swing, Operette und Kaffeehaus-Chansons unter einen breitkrempigen Hut zu bringen wusste.

Und dann wäre da natürlich noch - jetzt aus dem Bereich San-Remo-Schlager - Tony Renis, der seine Karriere im Duett mit Adriano Celentano begann und 1958 die ultimative Version von „Come prima“ eingespielt hat. Ein Großmeister des effektvoll glucksenden Schluchzers. Aber das ist eine andere Kitschecken-Sommergeschichte.

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