zum Hauptinhalt
 American poet Amanda Gorman reads a poem after Joe Biden is sworn in as the 46th president of the United States at the U.S. Capitol at the 59th Presidential Inauguration on Wednesday, January 20, 2021 in Washington.

© imago/PATRICK SEMANSKY

Kolumne „Mehrwert“, Folge 10: Amanda Gorman? Nicht für Kids

Zensur in den USA: Immer mehr Bücher über Rassismus, Queerness oder Gesellschaftskritik verschwinden dort aus Bibliotheken. Der PEN schlägt schon länger Alarm.

Ein weltberühmtes Gedicht über den Mut zur Veränderung, vorgetragen bei feierlichem Anlass, kommt auf den Index und ein Gesetz hilft dabei. Die Nachricht stammt nicht aus einer Diktatur oder Autokratie, nicht aus Russland, China oder Iran. Nein, der Fall ereignete sich jüngst in Florida.

In Miami Lakes hat eine Schule Amanda Gormans Bestseller-Gedicht „The Hill We Climb“ aus ihrer Bibliothek für Grundschüler:innen verbannt. Jene Verse, die die junge afroamerikanische Poetin 2021 bei der Amtseinführung Joe Bidens vortrug, sind Jüngeren dort nicht mehr zugänglich. Auch andere Bücher nicht, zum Beispiel „The ABCs of Black History“ oder das Langston-Hughes-Bilderbuch „Love to Langston“.

Der Grund: Eine Mutter fand, die Texte enthielten Verweise auf kritische Rassentheorie, „indirekte Hassbotschaften“, Gender-Ideologie und Indoktrination. Erst ab der 5. Klasse dürfen sie in Miami Lakes weiter gelesen werden. Das hilfreiche Gesetz: die „Don’t say gay“-Verordnung des republikanischen Gouverneurs Ron DeSantis, der Donald Trump die Präsidentschaftskandidatur streitig macht und der sein Verbot auch von Schulunterricht über sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität auf alle Altersstufen ausweiten will. Sein Machtkampf mit dem Disney-Konzern, der die Rücknahme des Gesetzes fordert, macht Schlagzeilen in diesen Tagen.

Ende April befasste sich diese Kolumne mit der russischen Zensur gegen queere Literatur. In Amerika geschieht Ähnliches. Seit bald zwei Jahren, so der amerikanische PEN, nimmt die Zahl der aus (Schul-)Bibliotheken und kommunalen Büchereien entfernten Titel zu LGBTQ-Themen, Rassismus oder Feminismus deutlich zu.

Ein Report listet die Fälle auf, aus Florida, Arkansas, Colorado, Texas, Missouri, Kalifornien South Carolina und weiteren Staaten. Allein für das erste Schulhalbjahr 2022/23 registrierte der PEN 1477 book bans, 28 Prozent mehr als im Halbjahr zuvor. Tendenz weiter steigend. Zu den indizierten Büchern gehören Klassiker von Margaret Atwood, Toni Morrison und J.D. Salinger, auch Anne Franks Tagebuch und „Harry Potter“.  

Die Brooklyn Public Library in New York hält seit April 2022 mit ihrer Initiative „Books Unbanned“ dagegen. 13- bis 21-Jährige aus allen US-Staaten können sich jeden Titel aus dem Bestand kostenfrei als E-Book ausleihen. Der Bibliotheksausweis wird online ausgestellt.
Christiane Peitz schreibt hier alle zwei Wochen über Menschenrechte, Freiheitskämpfer:innen und Zensur.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false