zum Hauptinhalt
 Abak Safaei-Rad und Regine Zimmermann

© Eike Walkenhorst

Kriegerische Kämpfe, erotische Krämpfe: „Ulrike Maria Stuart“ und „Penthesilea. Ein Requiem“ im Deutschen Theater

Pınar Karabulut und Nino Haratischwili bringen im Deutschen Theater Königinnendramen auf die Bühne. Viel Neues zu erzählen haben die mächtigen Frauen allerdings nicht.

Ja, doch, es gibt sie schon in Pinar Karabuluts Königinnen-Abend im Deutschen Theater: die Sätze, die klingen, als hätte sie jemand tagesaktuell in die Tastatur gehauen. Zum Beispiel, wenn Abak Safaei-Rad als obercoole Königin Nummer eins (von zweien) nüchtern die Situation der Linken analysiert: „Das Volk, zu dessen allerbesten Freunden wir uns aufgeschwungen haben, will uns nicht, womöglich hat es bessere Freunde“.

Das Problem ist nur, dass sich diese Aktualitätsflashs an einer Hand abzählen lassen, die Veranstaltung allerdings 70 Minuten dauert. Und schon dafür muss man der Regisseurin und designierten Co-Intendantin des Zürcher Schauspielhauses Pinar Karabulut sowie dem Dramaturgen Daniel Richter dankbar sein. Denn der Text, der dem Abend zugrunde liegt, umfasst, je nach Ausgabe, im Originalzustand um die hundert Seiten: Elfriede Jelineks „Ulrike Maria Stuart“ – 2006 uraufgeführt durch Nicolas Stemann am Thalia Theater Hamburg – überschreibt die Königinnen Maria Stuart und Elisabeth I. mit den RAF-Terroristinnen Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin und verstrickt sie in Debatten über Macht, Gewalt, Revolution und Mythos. Und zwar im typisch postmodern-postdramatischen Jelinek-Sound, der angesichts der gegenwärtigen politischen Lage dann doch leicht historisch wirkt.

Insofern hat die Inszenierung schon recht, wenn sie sich primär auf ihren Schauwert verlässt. Regine Zimmermann hängt als Ulrike Maria Stuart zu Beginn effektvoll in einem Gefängniskäfig vom Schnürboden herab. Wenn sie später unten ist, durchschreitet sie mit Gudrun-Elisabeth einen Friedhof, der den aufgekratzten Charme eines Vampirkomödien-Settings versprüht. Die Untoten der Geschichte hüpfen als schräge Zombies einher, und der Content rauscht bei alledem so durch.

Penthesilea hängt in den Seilen

Anders gestaltet sich das Energielevel in einem zweiten Königinnenstück am DT, das wenige Tage zuvor auf der benachbarten Kammerbühne Premiere feierte: „Penthesilea. Ein Requiem“. Dort wird eher in den Seilen gehangen, und zwar buchstäblich. Die Amazonenkönigin Penthesilea und ihr Schlachtfeld-Gegner Achill, in den sie sich wider Willen und Gesetz verliebt, tragen ihre kriegerischen Kämpfe und ihre erotischen Krämpfe in bungeejumpingartigen Hebeseilkonstruktionen aus. Und erinnern selbst dort, wo munter das Kunstblut spritzt, eher an einen züchtigen gemeinsamen Sportnachmittag im Edelgym:  porentief rein, garantiert jugendfrei und mit einem beherzten Schuss unfreiwilliger Komik.

Eka Nizharadze, Manuel Harder und Almut Zilcher in „Penthesilea. Ein Requiem“
Eka Nizharadze, Manuel Harder und Almut Zilcher in „Penthesilea. Ein Requiem“

© Jasmin Schuller

Anders als bei Jelinek gibt es hier zumindest theoretisch kein Textalterungsproblem, denn die georgische Autorin und Regisseurin Nino Haratischwili hat den Penthesilea-Stoff nicht nur inszeniert, sondern auch zeitgenössisch überschrieben. Für eine Penthesilea (Almut Zilcher), die im Alter noch einmal zurückschaut auf ihr jüngeres Ich (Eka Nizharadze) – und für ein georgisch-deutsches Ensemble, das auf der Bühne jeweils in der eigenen Muttersprache spricht. Abgesehen davon, dass hier vage Assoziationen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine im Raum stehen, ist in diversen Varianten von der „Geilheit der Schwänze“ die Rede. Und wenn Achill seine Geliebte einmal besonders empowern will, sagt er sowas wie: „Nun bringen wir es auch zu Ende, ficken uns zu Ende.“ In solchen Sätzen tatsächlich den Resonanzraum des Mythos mitschwingen zu lassen, den der Abend ständig behauptet, ist durchaus eine Herausforderung, weshalb man sehr froh ist, hier einen Schauspieler wie Manuel Harder in der Achill-Rolle zu sehen.

Aber wozu das alles? Klar: Mächtige Frauen sind en vogue, zumindest im Theater. Aber die Frage, was genau sie heute neu erzählen wollen mit ihren Königinnen, bleiben sowohl Karabulut als auch Haratischwili schuldig.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false