zum Hauptinhalt
Morgenstimmung. Das Kronentor des Zwingers spiegelt sich im Wasserbecken eines Springbrunnens.

© Sebastian Kahnert/ZB

Kulturtourismus: Sieh, das Schöne liegt so nah

Nicht nur für Sachsen gilt: Kulturtourismus ist nachhaltig, slow - und ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.

Warum in die Ferne schweifen? Sieh, das Gute - die Kultur - liegt so nah! In Deutschland jedenfalls liegt sie fast überall. Jedes Dorf hat eine Kirche mit einer besonderen Orgel, jede Kleinstadt ein originelles Museum, jede mittlere Stadt ein Schloss mit Gemäldesammlung, jede größere Stadt Theater- und Opernhäuser mit sehenswerten Programmen. Ein Reichtum, den zu pflegen und entdecken gerade in diesen Zeiten lohnt, in denen Fernreisen – Stichwort Umweltbelastung, Overtourism, überfüllte Flughäfen - an Attraktivität verloren haben.

Hier, vor unserer Haustür, liegt das Interessante, sofern man denn, wie es im berühmten Gedicht von Goethe heißt, „lernt es zu ergreifen“. Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU) hat gerade darauf hingewiesen, wie eng Kultur und Tourismus miteinander verflochten sind. Rund 20,7 Millionen Übernachtungen hat es der Ministerin zufolge 2019 in Sachsen gegeben, hinzu kommen jährlich Millionen Tagesgäste, die sich Schlösser, Museen, Theater und Opern anschauen möchten.

Die Kultur- und Kreativbranche in Sachsen erwirtschaftet nach eigenen Angaben jedes Jahr rund 3,5 Milliarden Euro Umsatz, im Jahr 2020 waren fast 71 000 Frauen und Männer in diesem Bereich beschäftigt, 36 Prozent davon selbstständig. Der Kulturtourismus ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, potenziell das ganze Jahr hindurch.

Willst du immer weiter schweifen – so beginnt das Gedicht von Goethe korrekt. Viele von uns sind schon um die Welt geschweift, haben zumindest oberflächlich alles gesehen, was Reisende der Vergangenheit sich langsam und intensiv erobern mussten. Die frühen Touristen, die sich etwa auf die Grand Tour nach Italien begaben, haben vor Reiseantritt viel gelesen, Schlösser und Bibliotheken besichtigt, dabei selbst viel aufgeschrieben, gezeichnet und gemalt - es war slow tourism, nachhaltiger Kulturtourismus avant la lettre. Der geografische Horizont war enger, der geistige oft weiter.

Erfüllen wir also das Reisen mit Kultur und die Kultureinrichtungen mit Reisen(den)! Das setzt allerdings voraus, dass diejenigen, die kulturinteressierte Gäste empfangen und an ihnen verdienen möchten, sich auch selbst offen zeigen. Menschen mit dunkler Hautfarbe zögern, in Sachsen Urlaub zu machen. Das ist einer Region, die sich selbst als „Kulturreiseziel Nummer Eins in Deutschland“ bezeichnet, unwürdig.

Dorothee Nolte ist Redakteurin im Ressort Themenspeziale und konzipiert literarische Reisen für Tagesspiegel-Leser:innen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false