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Die New Yorker Garth Greenan Gallery zeigt an ihrem Stand Kunst von Howardena Pindell, Paul Feeley und Nicholas Krushenick.

© Art Basel

Kunst am Strand von Miami: Ein anderer Maßstab

Die Messe Art Basel Miami Beach feiert das 20-jährige Bestehen mit ihrer bislang größten Ausgabe

Von Sebastian Strenger

Seit ihrer Gründung im Jahr 2002 ist die Art Basel Miami Beach eine Drehscheibe, die die Kunstszenen Nord- und Südamerikas mit denen Europas verbindet. Die aktuelle Ausgabe zum 20-jährigen Jubiläum ist mit 282 Ausstellern aus 38 Ländern die bisher größte – und mehr als die Hälfte der Galerien kommt aus den USA. Damit dürfte der Ableger Miami Beach zum Flaggschiff der Schweizer geworden sein, die jüngst mit der „Paris+“ auch die französische Metropole eroberte und einen Neuversuch nach Corona in Hongkong startete, deren Erfolge im eigenen Land zuletzt jedoch eher mäßig waren.

Als vor 20 Jahren die Art Basel in Miami Beach eröffnete, war die Gegend mehr von Kriminalität als Kultur geprägt, wohlhabende europäische Touristen mieden sie seit den Achtzigern. Dazu stand die erste Ausgabe der Messe außerhalb der Schweiz auf der Kippe, nachdem sie wegen der Anschläge vom 11. September in New York um ein Jahr verschoben wurde. Am Ende sorgten rund 100 Kunstsammler, die ihr Flugticket nach Miami bereits erworben hatten, für ein Erweckungserlebnis der Stadt. Damals gab es hier weder das Pérez Art Museum Miami Downtown noch das New World Center on the Beach oder das Institute of Contemporary Art im Design District.

Und doch wurde die Art Basel MB mitsamt ihrer zahllosen Satelliten-Messen zu einem internationalen Magneten, strömte Geld in die Stadt und begannen bald erste große Immobilienkäufe. All das hat die Stadt sichtbar verändert: Heute prägen Flagship-Stores der Luxusmarken, neue Apartmenthäuser als Zweitwohnsitze, Sammler, Kuratoren und Institutionen gleichermaßen ihr Gesicht.

Die Miami Art Week insgesamt ist gewachsen. Es wimmelt von technikaffinen Veranstaltungen, die sich mit der Zukunft von Krypto, nicht-fungiblen Token (NFT), interaktiven Kunstwerken und virtueller Realität beschäftigen. Hier spiegelt sich ein weiteres Ziel der Stadt, die sich als aufstrebendes Tech-Zentrum des Landes präsentiert. Keine Spur davon, dass die aktuell hohen Verluste der Kryptowährungen das Interesse an NFT-Kunst in Europa stark gebremst haben. Im temporären Kunst-Zirkus Miamis flimmern die Screens an allen Ecken im Miami Beach Convention Center wie in den Zelten weiterer Kunstmessen am Strand. Dazu passt, dass Kunstkäufer erstmals teilweise in Krypto-Währung bezahlen können.

Umsätze in Millionenhöhe schon am ersten Tag

Die Umsätze bereits am ersten Tag scheinen für solche Entscheidungen zu sprechen. Die Stimmung ist wie gewohnt ausgelassen, von Zurückhaltung bei den Käufen nichts zu spüren. Vielmehr werden Werke von Nachkriegskünstlern und jungen Talente in Millionenhöhe in institutionellen US-Sammlungen oder europäischen Museen platziert. Die größte Galerie von allen, Gagosian mit weltweit 22 Standorten, verkaufte Werke unter anderem von Ashley Bickerton, Amoako Boafo, Jim Shaw, Alexandria Smith und Anna Weyant. An die 50 Arbeiten sollen es innerhalb der ersten Stunden gewesen sein.

Am Stand der Pace Gallery gab es ebenfalls Millionenverkäufe, darunter das Gemälde „Ohne Titel #14“ von Agnes Martin aus dem Jahr 1998, das sie mit ihren charakteristischen verblichenen Streifen auf cremefarbenem Hintergrund versehen hat. Sieben Millionen Dollar kostete das abstrakte Werk der kanadisch-amerikanischen Malerin, während Andy Warhols Gemälde „Flowers“ (1964) für etwas mehr als die Hälfte wegging. Eine Leinwand von Kerry James Marshall von 1997 mit dem Titel „We Mourn Our Loss #2“, die politischen Persönlichkeiten zeigt, die in den 1960er Jahren ermordet wurden, erzielte 2,8 Millionen Dollar bei Jack Shainman. Gemälde von Phillip Guston und George Condo wurden für sieben bzw. drei Millionen Dollar am Stand von Hauser & Wirth veräußert. Der aus Salzburg stammende Händler Thaddaeus Ropac konnte ein abstraktes Gemälde von George Baselitz aus dem Jahr 2020 für 1,4 Millionen Dollar platzieren.

Im Bereich um die 500.000 Dollar und für Werke, die kaum älter als zehn Jahre sind, war die Galerie Perrotin aus Paris mit dem Maler Hernan Bas erfolgreich. Am Stand von Xavier Hufkens aus Brüssel gingen Arbeiten von Tracey Emin, David Zwirner vermittelte Skulpturen von Carol Bove, bei White Cube aus London überzeugten die Künstler Michael Armitage und Günther Förg. Die aus Berlin angereisten Galerien, zu denen Max Hetzler, Kewenig und Neugerriemschneider gehören, bilden einen erstaunlich starken Block mit rund zehn Prozent der ausstellenden Galerien und zeigen einen gewohnt internationalen Mix, der auch auf dem amerikanischen Kontinent tonangebend ist. (bis 3. Dezember, Miami Convention Center, www.artbasel.com)

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