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Melissa McCarthy als CIA-Angestellte in "Spy".

© 2015 Twentieth Century Fox / dpa

Agentenkomödie "Spy" mit Melissa McCarthy: Lara Croft war gestern

Wer braucht schon eine stählerne Superagentin wie Angelina Jolie als Lara Croft, wenn er auch Melissa McCarthy haben kann. In "Spy - Susan Cooper Undercover" nimmt sie gleich das ganze Agentengenre auf die Schippe - witzig feministisch.

Von Jörg Wunder

Huch, was ist das denn? Ein erigierter Penis in einer amerikanischen Mainstream-Komödie? Na gut, es ist nur das für Sekundenbruchteile zu erkennende Unterleibs-Selfie auf dem Smartphone eines tödlich verunglückten Bösewichts, über das sich die mit der Auswertung der Daten befassten Damen herzlich amüsieren. Doch das pikante Detail sagt einiges über die Chuzpe, mit der Hollywoods derzeit wohl lustigstes Kreativ-Powercouple bei seiner dritten Zusammenarbeit vorgeht. Nach der Junggesellinnenabschiedskomödie „Brautalarm“ (2011) und der Polizisten-Buddymovie-Parodie „The Heat“ (2013, dt. Titel „Taffe Mädels“) ziehen Paul Feig als Regisseur und Drehbuchautor und die wunderbare Melissa McCarthy als Hauptdarstellerin nun das Genre des Agentenfilms genussvoll durch den Kakao.

In „Spy – Susan Cooper Undercover“ spielt McCarthy eine übergewichtige CIA-Büroangestellte, die am Computerbildschirm mithilfe von Wärmebildkameras und Satellitenortung die gefährlichen Einsätze des smarten Topspions Bradley Fine (Jude Law) überwacht. Per Knopf im Ohr gibt sie präzise Anweisungen, die Fine erst die effektiv-lässige Eliminierung von Dutzenden bewaffneter Feinde ermöglicht. Natürlich ist sie in den eitlen Beau heimlich verliebt, doch wie Miss Moneypenny in den Bond-Filmen bleibt ihr nur die Rolle der schmachtenden Bewunderin: Statt des erträumten Verlobungsrings überreicht der unsensible Kerl ihr beim Candlelight-Dinner einen potthässlichen Anhänger als Dank für die Unterstützung.

Die Stunde der unscheinbaren Büromaus hat geschlagen

Als Fine bei der Suche nach einer verschwundenen Kofferatombombe in einen tödlichen Hinterhalt gerät und die osteuropäische Waffenhändlerin Rayna Boyanov (Rose Byrne) alle aktiven CIA-Agentinnen enttarnt, schlägt die Stunde der unscheinbaren Büromaus. Susan Cooper wird in den Außendienst nach Europa geschickt, was sich allerdings als nicht ganz so glamourös darstellt wie erhofft: Ihre Undercover-Identitäten sind von erlesener Biederkeit und zwingen sie zum Tragen hässlicher Klamotten und unvorteilhafter Perücken. Und alle coolen Agenten-Gadgets erweisen sich als handelsübliche Selbstverteidigungs-Accessoires, noch dazu boshaft als Intimspray oder Abführmittel getarnt.

Natürlich überschreitet Agentin Cooper schnell die Kompetenzen ihrer als reine Observation angelegten Mission, kann aber ihre Enttarnung verhindern. Als Leibwächterin von Rayna Boyanov kommt sie sogar auf Tuchfühlung an ihre Zielperson heran, muss aber die unfreiwilligen Störmanöver des übermotivierten Ex-Spions Rick Ford (Jason Statham) einkalkulieren und ihre vor Jahren in der Agentenausbildung einstudierten Nahkampffähigkeiten reaktivieren.

Melissa McCarthy hält den feministischen Spiegel vor

„Spy – Susan Cooper Undercover“ lebt von Tempo und Witz, von scharfzüngigen Dialogen und beherztem Slapstick aller Beteiligter (Sonderlob an Jason Statham für die Bereitschaft zur Karikatur seiner Macho-Rollen), von Derbheit und Frivolität, aber auch von ernsthafter Spannung und handwerklich bravourös gemeisterten Actionszenen. Der Plot bewegt sich mit seinen wenig überraschenden Wendungen bis zum unvermeidlichen Happy End innerhalb der Parameter des Genres – und einer fast ebenso langen Tradition von Agentenfilm-Parodien.

Der entscheidende Twist liegt in der Figur der Heldin selbst: Melissa McCarthy hält ja nicht nur dem Machismo steroidübersättigter Männerhelden wie Jason Bourne oder James Bond einen feministischen Spiegel vor, sondern ist auch als Gegenentwurf zu den weiblichen Ikonen des Genres angelegt: Denn anders als Lara Croft und Evelyn Salt (beide Angelina Jolie) oder die Black Widow aus den Avengers-Filmen (Scarlett Johansson) ist sie keine Heroine mit Bizeps und Barbiefigur, sondern eine normale Mittvierzigerin mit Body-Maß-Index von 35 plus.

Susan Cooper hat die Lacher auf ihrer Seite

Zu den großen Leistungen des Duos Feig/McCarthy gehört es, die massive Körperlichkeit der Hauptdarstellerin zwar furchtlos einzusetzen und auch komödiantisch auszuschlachten, McCarthys Performance aber niemals auf das Niveau diskriminierender Dickenwitze zu drücken. Im Gegenteil, die Schauspielerin entwickelt, als sie sich endlich aus dem Kokon der modisch erniedrigenden Tarnidentität befreien darf, eine eigene Anmut und Sexyness. Und wenn der handfeste Wonneproppen mit der magermodeldürren, übertrieben aufgetakelten Waffenhändlerin – Rose Byrne gibt sie mit hinreißend snobistischer Neureichen-Zickigkeit – im verbalen Dauerclinch über Klamotten und Frauenbilder liegt, hat Susan Cooper nicht nur die Sympathien, sondern auch den letzten Lacher fast immer auf ihrer Seite.

Dieses rückhaltlose Bekenntnis zu einer die Schönheitsideale des Hollywood-Mainstreams unterlaufenden Heldinnenfigur mag nicht die Speerspitze der feministischen Bewegung sein. Doch in einer Welt, in der Frauen und Mädchen mit dem Schlankheitsterror von „Germany’s Next Topmodel“ und – täglich vor der 20-Uhr-Tagesschau – der „Wenn Sie morgen schon eine Bikinifigur brauchen“- Werbung für ein Abnehmmittel gehirngewaschen werden, wirkt das emanzipatorische Potenzial auch einer Filmfigur wie Susan Cooper gewaltig.

Ab Donnerstag in 20 Kinos. OV im Cinestar SonyCenter und UCI Colosseum.

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