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Shermin Langhoffs Intendantinnenvertrag am Maxim Gorki Theater läuft bis 2026.

© dpa/Jörg Carstensen

Update

Machtmissbrauch an Berliner Bühnen: Herrscht immer noch ein „Klima der Angst“ am Gorki Theater?

Eine RBB-Umfrage zum Machtmissbrauch an deutschen Bühnen fördert Ungereimtheiten am Berliner Gorki zutage. Wie war es mit der Mediation zwischen Mitarbeitenden und Intendantin Langhoff?

| Update:

Die Nachrichten sind irritierend, und auf die Schnelle sieht sich auch das Gorki Theater selbst zunächst nicht in der Lage, klarstellende Informationen zu den Ungereimtheiten bezüglich der Mediation nach den Machtmissbrauchsvorwürfen am Haus zu geben. Aber dann gibt es doch noch Antworten.

Der Reihe nach: Bei einer anonymen Befragung zum Machtmissbrauch an deutschen Bühnen, die RBB-Reporter für das „ARD-Mittagsmagazin“ durchgeführt haben, äußerten sich auch ein gutes Dutzend aktueller und ehemaliger Mitarbeitender des Maxim Gorki Theaters, ebenfalls anonym.

Ihnen zufolge hat sich wenig an der Bühne geändert, seit 2019 Vorwürfe gegen Shermin Langhoff wegen Machtmissbrauchs an die Senatsverwaltung für Kultur übermittelt wurden, die im Wesentlichen 2021 öffentlich wurden. Von verbaler Gewalt und Mobbing am Haus war die Rede, nachgewiesen wurden die Anschuldigungen allerdings nie. Im Dezember 2020 wurde Langhoffs Vertrag noch einmal bis 2026 verlängert.

Dem TV-Bericht zufolge existieren laut Wahrnehmung der Auskunftgebenden viele der Probleme nach wie vor; einige Mitarbeitende hatten sich laut RBB 2021 erneut an die Kulturverwaltung gewandt. Wieder ist von einem „Klima der Angst“ die Rede, aus Angst vor Repressalien traue sich kaum jemand, Kritik zu äußern, heißt es in dem Beitrag.

Irritierende Auskunft des Berliner Senats

Irritierend ist nun nicht zuletzt die Auskunft des Berliner Senats zu dem damals von der Kulturverwaltung unter Senator Klaus Lederer vorgeschlagenen Mediationsverfahren. In einer Pressemitteilung des RBB heißt es, die Mediation sei rund ein halbes Jahr später durch die Vertrauensstelle Themis für beendet erklärt worden, wie aus einer Antwort der Senatsverwaltung auf eine Anfrage im Abgeordnetenhaus hervorgehe.

Den Reportern teilte die nach dem MeToo-Skandal 2018 gegründete Vertrauensstelle allerdings mit, Themis beteilige sich nicht an Mediationsverfahren in Unternehmen oder Theatern und führe auch keine durch. Auf RBB-Nachfrage will sich der damalige Kultursenator und Linken-Politiker Lederer zu diesem Widerspruch nicht äußern. Er könne keine Akteneinsicht mehr nehmen, um seine Erinnerungen zu verifizieren. Und die aktuelle Verwaltung unter seinem Nachfolger Joe Chialo (CDU) möchte die damaligen Vorgänge nicht kommentieren.

Frage ans Gorki: Hat eine Mediation nun stattgefunden und wenn ja, von wann bis wann? War sie abgeschlossen, bevor der Vertrag der Intendantin verlängert wurde? Ja, heißt es nach einigen Stunden dann doch noch vom Pressesprecher des Hauses, auf Bitten der Senatsverwaltung sei „nach Anhörung aller Beteiligten und im Einvernehmen mit diesen ein professionell geleitetes Mediationsverfahren vereinbart und durchgeführt worden“.

Zum Wesen einer solchen Mediation gehöre die „ausdrücklich von den Petent*innen“ ausbedungene Vertraulichkeit. Es gelte die Regel, „dass nicht ein*e Beteiligte*r über die Mitteilung anderer Beteiligter etwas veröffentlicht“. Soweit die Intendantin beteiligt war, habe es gemeinsame Sitzungen mit Petent*innen und einzelne Einzelsitzungen gegeben. „Diese waren bereits zum Spielzeitende 19/20 abgeschlossen, einzelne Nachgespräche spätestens zu Spielzeitbeginn 20/21“.

Das System der Zeitverträge setzt die Mitarbeiter*innen [...] sicherlich unter Druck.

Theaterleitung des Gorki Theater

Die Intendantin selbst ließ dem RBB über ihren Rechtsanwalt ausrichten, dass sie zu den neuen Vorwürfen erst Stellung nehmen könne, wenn ihr konkrete Sachverhalte bekannt seien, sie verwies außerdem auf den Datenschutz. Auf Nachfrage des Tagesspiegel heißt es dazu aus dem Gorki: „Das System der Zeitverträge setzt die Mitarbeiter*innen, die eine Verlängerung anstreben, sicherlich unter Druck“, dies sei der Theaterleitung bekannt. „Die Personalverantwortlichen versuchen, diesen Druck nach Möglichkeit durch transparente Entscheidungsprozesse und Gespräche zu verringern, sie kann aber das Prinzip der Zeitverträge nicht ändern.“

Zudem zwinge die finanzielle Situation der Bühne häufig zu einer Orientierung an Mindesttarifen, um das Budget nicht zu übersteigen. Bislang sei eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des Theaters nicht in Sicht.

Zum kritisierten „Klima der Angst“ könne die Intendantin nichts sagen, auch nicht zur Situation der Betreffenden, „weil diese Mitarbeiter*innen sich nicht zu erkennen geben und nicht mitgeteilt wird, aufgrund welcher Ereignisse sie das ,Klima der Angst’ empfinden. Sind es die Zeitverträge und deren Verlängerungsprozesse, so gibt es diese zweifellos.“ Der Pressesprecher weist außerdem darauf hin, dass am Gorki Theater Konfliktlösungs- und Beschwerdeinstitutionen existieren, die für alle zugänglich sind.

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An der nichtrepräsentativen Umfrage waren rund 750 Bühnenschaffende aus allen Bundesländern beteiligt. Fast 90 Prozent gaben an, sie seien persönlich schon mit Machtmissbrauch konfrontiert gewesen. Am häufigsten handelte es sich der Erhebung zufolge um verbale Übergriffe von Intendant:innen und Personen in Führungspositionen. Auch ist in 130 Fällen von sexuellem Missbrauch die Rede, außerdem geht es um Willkür bei Entlassungen.

Bei der teils im Multiple-Choice-Verfahren vorgenommenen Befragung konnten auch persönliche Kommentare hinzugefügt werden. Darunter finden sich Sätze wie: Kaum jemand traut sich mehr, sich kritisch zu äußern aus Angst, das könne zur Nichtverlängerung führen. Aus demselben Grund schleppen sich die Solisten auch mit Fieber auf die Bühne.“

Ein Teilnehmender berichtet, dass ihm als Anfänger eine Hauptrolle versprochen worden sei, im Austausch mit sexuellen Handlungen. „Dies habe ich abgelehnt und wurde daraufhin mit der kleinstmöglichen Rolle besetzt.“ (mit dpa)

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