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Paul Rudd, Kathryn Newton und Evangeline Lilly in Ant-Man.

© Courtesy of Marvel Studios / Marvel Studios

Marvels Superhelden : Ameisen im Schlachtengewitter

Der neue Science-Fiction-Actionfilm des Marvel Cinematic Universe

Von Jörg Wunder

Eigentlich läuft es gut für Scott Lang aka Ant-Man (Paul Rudd): In San Francisco wird der Teilzeit-Avenger für frühere Superheldentaten bewundert, auch wenn er bisweilen mit seinem berühmteren Kollegen Spider-Man verwechselt wird. Mit seiner Lebensgefährtin Hope van Dyne alias The Wasp (Evangeline Lilly) bildet er im Bedarfsfall ein mikroskopisch kleines Superheldenduo. Mit seinen Quasi-Schwiegereltern Hank Pym (Michael Douglas) und Janet van Dyne (Michelle Pfeiffer), den originalen Ant-Man und The Wasp, versteht er sich prima.

Also alles eitel Sonnenschein, wäre da nicht seine Teenie-Tochter Cassie (Kathryn Newton), die nicht nur zum wiederholten Mal in der Arrestzelle gelandet ist, sondern auch ohne Scotts Wissen mit gefährlicher Technologie herumbastelt. Inspiriert von den Erlebnissen ihrer Schwieger-Oma sucht sie nach einer Möglichkeit, das Quantenuniversum zu erforschen – nicht ahnend, dass ihr Signal zurückverfolgt werden kann.

Die Patchworkfamilie wird in das Subatomare gesaugt

Natürlich kommt es zum Unvermeidlichen: Die gesamte Patchworkfamilie wird in den subatomaren Raum gesaugt und dort verstreut. Der präsentiert sich als fantastischer Lebensraum voller bizarrer Kreaturen. Viele von ihnen sind den Neuankömmlingen feindlich gesonnen, woran Janet van Dyne nicht unschuldig ist: Während sie jahrzehntelang im Quantenuniversum verschollen war, blieb sie keineswegs die ganze Zeit allein, wie sie ihre Familie hatte glauben lassen. Vielmehr erlebte sie Dinge, die sie zu vergessen trachtete.

Sie war es, die einem gestrandeten Fremden erst half, sein transdimensionales Raumschiff zu reparieren, und es dann, als sie seine wahren Absichten erkannte, sabotierte und ihn im Quantenraum festsetzte – und dadurch großes Unheil über seine Bewohner brachte. Denn der Fremde namens Kang (Jonathan Majors) erwies sich als gnadenloser Eroberer, der bis auf wenige Rebellennester die gesamten Mikro-Galaxie unter seine Kontrolle brachte. Mit der Wiederkehr seiner Nemesis sieht Kang die Chance, dem Quantenraum zu entkommen und seinen Eroberungszug im Multiversum fortzusetzen – wo er schon vor seinem Zwangsexil gewütet hatte.

Die Komplexität übersteigt die Kapazitätsgrenzen eines Films

Wie bei etlichen Filmen aus der Post-„Endgame“-Phase des Marvel Cinematic Universe bekommt man auch bei „Ant-Man and The Wasp: Quantumania“ den Eindruck, die Komplexität des Geschehens übersteige die Kapazitätsgrenzen eines Kinofilms. Ein subatomares Universum mit einer unvorstellbaren Vielfalt an erstaunlichsten Lebensformen und einem heroischen Rebellen-versus-Unterdrücker-Narrativ? Daraus würde James Cameron vier dreistündige Filme machen. Mindestens.

Hier wird das Ganze inklusive rudimentärer Rahmenhandlung in zwei Stunden wegerzählt. Was immerhin bedeutet, dass der 31. Film des MCU keine Zeit für langatmige Expositionen oder schwerfällige Erklärmonologe hat – aber eben doch für ein finales Schlachtengewitter, das sich, wie in Superheldenfilmen fast unvermeidlich, effektüberladen eine gefühlte Ewigkeit hinzieht. Ein bisschen mehr Erklärung wäre hingegen schön gewesen, etwa um den von Jonathan Majors (demnächst auch in „Creed III“ als Bad Guy) bravourös als gequälte Seele zwischen Tragik und Tyrannei verkörperten Kang besser zu verstehen. Was will der Typ? Und warum?

Außerdem lässt einen die „Auslöschung ganzer Zeitlinien“, die Kang auf dem Gewissen hat, erstaunlich kalt, während Thanos‘ kosmischer Massenmord in „Avengers: Infinity War“ wirklich bestürzend war. Hier ist das Erschütterndste ein rehäugiger Minioktopus, den als Lebendbeigabe eines von Bill Murray (in einer amüsanten Cameo-Rolle) geschlürften Cocktails ein garstiges Schicksal ereilt.

Für Empathie zu größenwahnsinnig oder zu kleinformatig

Nach der nicht nur künstlerisch, sondern auch kommerziell enttäuschenden „Phase Four“ des MCU (von „Black Widow“ bis „Wakanda Forever“) soll „Quantumania“ den nächsten Entwicklungsschritt des erfolgreichsten Kino-Franchises aller Zeiten einläuten. Diese Bürde ausgerechnet dem bisher eher als humoristischer Sidekick wahrgenommenen Ant-Man aufzulasten, ist gewagt. Das Problem ist keineswegs, dass Paul Rudd nicht fähig wäre, seinem nie ganz ernsten Minihelden emotionale Tiefe zu verleihen, sondern eher, dass die Prämissen entweder zu größenwahnsinnig (die Rettung des Mikroversums oder gleich aller Welten) oder zu kleinformatig (die Rettung der eigenen Tochter aus selbstverschuldeter Not) sind, um echte Empathie zu erzeugen.

Etwas, das beim letzten „Spider-Man“-Film hervorragend gelang. Aber Spider-Man ist eben auch in den Comic-Vorlagen und mithin in der Populärkultur eine viel komplexer und tragischer angelegte Figur als Ant-Man. So ist der Film mit dem angemessen umständlichen Titel zwar der visuell schönste aller Marvel-Filme, lässt einen aber etwas unbefriedigt zurück. Gern hätte man all den wunderbaren Wesen im Quantenraum ein wenig länger beim Existieren zugeschaut. Aber dafür wäre dann wohl James Cameron zuständig gewesen. „Zeit, dass wir uns wie Tiere wehren“, sagt Agata an einer Stelle im Film zu den anderen Frauen.

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