zum Hauptinhalt

Kultur: Mehr als nur ein Pommes-Begleiter

Unsere Probierrunde machte sich auf die Suche nach der besten Mayonnaise im Berliner Handel.

Mayonnaise selbst machen? Wahrlich keine große Sache. Zutaten, Wanne, Schneebesen – das wäre es schon. Aber es kommt selten dazu, aus mangelnder Wertschätzung fetter Speisen, aber vor allem aus Bequemlichkeit. Denn die Lebensmittelindustrie hat die Emulsion aus Eigelb, Pflanzenöl, Zucker sowie Säure schon früh zum Thema gemacht, ihr Stabilität verliehen und sie im Supermarkt in Griffhöhe gestellt. Zudem herrscht eine gewisse Unsicherheit über die Verwendungsmöglichkeit der Mayonnaise, die sich vorwiegend als Partner des Ketchups auf den sogenannten Pommes „Schranke“ etabliert hat.

Aber in die Vinaigrette, ins Sandwich oder aufs Schinkenbrot, aufs pochierte Ei? Komisch eigentlich, aber zumindest Feinschmeckern legt ihr Anblick eher den Verzicht nahe – gerade auch dann, wenn es sich um die schwere Delikatessmayonnaise handelt, die nach den Leitsätzen der deutschen Feinkostindustrie mit einem Fettgehalt von 80 Prozent sowie einem Eigelbanteil von mindestens 7,5 Prozent aufwartet. Deswegen zeugte es durchaus von Unerschrockenheit, dass Sternekoch Michael Kempf die monatliche Testrunde im „Facil“ und damit in einem Restaurant empfing, in dem so gut wie alles frisch hergestellt wird.

Mit fröhlicher Lässigkeit, die den wohl immer jugendlichen Sigmaringer auszeichnet, schraubte er gleich das Glas des Marktführers auf und entdeckte eine kompakte Creme. Gleichwohl vermissten die Juroren bei „Thomy Delikatess-Mayonnaise“ kulinarische Verbindlichkeit, stellten dafür eine gewisse Klebrigkeit fest, die den Gaumen nicht eben angenehm mit Beschlag belegt. Geschmacklich sind Säure (ein regelrechter Stich Branntweinessig) und Zucker sofort zu spüren, während sich die dottrige Note vor dem Hintergrund eines neutral wirkenden Sonnenblumenöls nicht akzentuiert genug bemerkbar machte.

Der inzwischen aus vielen Regalen gedrängte Konkurrent „Appel“ gewinnt demgegenüber mit einem Eindruck von kühlender Frische. Die Säure ist bei dieser recht festen, aber nicht starren Paste, die auf Rapsöl aufbaut und im Mund nicht haften bleibt, gut mit Süße austariert. Allenfalls ein typischer Konservierungston sowie ein leicht mehliger Eindruck im Abgang schmälern den Auftritt.

Michael Kempf äußerte sich nach der wenig aufregenden Kostprobe der an Salatcreme erinnernden „Livio Delikatess-Mayonnaise“ und der braven Tubenemulsion von „Bio Gourmet“ überrascht, wie nahe doch solche Produkte einem frisch gemachten kommen. Da hatte er allerdings weder die pannacotta-artige, im Mund an geschmolzenen Labellostift erinnernde „Kunella“ aus dem Spreewald noch die Halbliterflaschen „Delikato“ (noch die beste des Trios), „Hamker“ und „Vita d’or“ probiert, für die im Discountbereich rund ein Euro verlangt wird. Vergleicht man sie direkt mit der in einer Tube gelieferten „Knorr Delikatess Mayonnaise mit Freiland-Eiern“, dann fällt erst auf, wie banal und mehlig sie wirken können. Knorr dagegen bewegt sich nach einem kurzen Branntweinessigmoment in Richtung Orange und Haselnuss und bringt obendrein noch Eigelb deutlich zum Ausdruck. Nach einigem Hin- und Her gewann Knorr schließlich knapp vor Appel bei den einfachen Mayonnaisen.

Wenn bei Lebensmitteln, die lediglich etwas Abwechslung in die Symphonie des Kauens bringen sollen, plötzlich ein höherer Anspruch angemeldet wird, sollte man auf der Hut sein. Auch dann übrigens, wenn die Nahrung als Vorhut eines moralisch besseren Lebens ausgegeben wird. Der Argwohn, der sich in der Testrunde nach manch leidvollen Erfahrungen gegenüber Bio-Erzeugnissen gebildet hat, erwies sich auch diesmal als berechtigt. In „Naturkind“ beispielsweise glaubte Jurymitglied Peter Frühsammer den fruchtigen Ton des Kaubonbons Mamba zu erkennen sowie den Duft von Hautcreme. „Byodo“ empfand er als komplett unharmonisch; Kempf ergänzte, Byodo besitze „in jeder Phase des Genusses ein anderes Gesicht“.

Sozusagen nur eine Miene macht dagegen die sich suppig wie eine Zitronenspeise darbietende „De Rit Organics Demeter“. Die Zutatenliste führt neben den üblichen Verdächtigen Koriander, Kurkuma, Paprikapulver, Pfeffer und Piment auf, und das Ergebnis lässt tatsächlich an eine italienische Salsiccia denken. Bei der im englischen Suffolk hergestellten Edelmayonnaise „Stokes“ ( beim Kulinarversorger bosfood.de) sowie bei „Braham & Murray“ mit Hanföl dominiert ein Ölaroma, das nicht jedermanns Sache ist.

Meriten verdienten sich viel eher zwei französische Marken, unter denen „Amora“ aus den Galeries Lafayette direkter und gröber ausfällt, „Maille“ dagegen eleganter mit ausgeprägt dottrigen Noten. Beide sehen ein bisschen aus wie Karamellpudding, verzichten gleichwohl auf merkliche Süße, um dafür Senf in den Vordergrund zu schieben. Kempf, dessen Favorit Maille wurde, empfiehlt sie zu Grillfleisch und in einer Vinaigrette.

Aus einem kleinen Nachbarstaat Frankreichs wird die „Mayonnaise De Luxembourg Aux Oeufs“ in den wundervollen Delikatessladen „De Maufel“ in der Charlottenburger Leonhardtstraße geliefert. Der Hersteller dieses eigenwilligen plastischen Gemischs nennt sich zwar „Moutarderie“, doch Mostrich rückt hier beileibe nicht in den Vordergrund, sondern fügt sich in eine ausgewogene Balance aus Süß-Sauer-Salzig. Bedenkt man den Anflug von Zitronengras, der klar formuliert ist und sich somit von Zitrone klar unterscheidet, so könnte man beinahe von einer luxo-asiatischen Fusion-Mayonnaise sprechen.

Noch mehr Vereinigung von Orient und Okzident ist in „QPM Japanische Mayonnaise“ aus dem Asia-Supermarkt beim Wittenbergplatz (auch bei bosfood.de) zu finden. Hier äußern sich viel Ei (Anteil von 12 Prozent), Zucker und eine kräftige Salzigkeit, die charakteristisch ist für Sojasauce. Bis auf das zurückhaltende Öl (72 Prozent) treiben sich alle Komponenten gegenseitig an und bringen eine lärmende Wucht zuwege, die einem bei einer so untergeordneten Zutat nicht immer gelegen kommt. Reumütig kehrt man nach Luxemburg zurück.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false