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Kultur: Milder Wilder

Peter Doherty, ganz gesittet, im Berliner Postbahnhof

Es passt gut, dass, kurz bevor Peter Doherty die Bühne des ausverkauften Postbahnhofs betritt, „Rocket 88“ läuft. Immerhin gilt der 1951 von Jackie Brenston veröffentlichte, wunderbar rumpelnde Song als erstes Rock-’n’-Roll-Stück. Doherty indes ist einer der letzten Protagonisten des Genres. Gewiss: einer, der sich nicht immer unter Kontrolle hatte und vor allem wegen seines Lebenswandels auffiel. Das scheint vorbei zu sein. Sieht man von einem Einbruch in ein Regensburger Musikaliengeschäft ab, ist es still geworden um den Engländer, der den legendären Libertines und den ordentlichen Babyshambles vorstand und vor gut zwei Jahren mit „Grace/Wastelands“ sein Solo-Debüt veröffentlichte.

Diese Ruhe schraubt die Unberechenbarkeit zurück, die Konzerte von Doherty und seiner Bands stets umwehte. Der Sänger und Gitarrist betritt die Bühne um kurz nach zehn, bleibt damit fast im Zeitplan. Vor allem ist seine Laune hervorragend. Er pariert die Sprüche des Publikums, nimmt aus den ersten Reihen Geschenke entgegen. Vor allem aber hält er diese Form satte eineinhalb Stunden lang.

Wie schon bei seinem Auftritt beim Berlin Festival 2009 lässt er sich von zwei Balletttänzerinnen einrahmen. Nötig wäre das nicht. Im Unterschied zu früheren Konzerten gelingt es Doherty, einen Spannungsbogen zu finden. Er gibt dem Publikum die Hits, spielt neuere Solostücke wie seine Single „Last Of The English Roses“ ebenso wie die Libertines-Klassiker „Don’t Look Back Into The Sun“, „Can’t Stand Me Now“ oder „What A Waster“. Gleichzeitig schmuggelt er aber auch einige Songs ins Set, die nie den Weg auf einen offiziellen Tonträger fanden. Seinen schönsten Song hebt er indes für den Zugabenblock auf: Für „Albion“, diese eskapistische Ballade über ein Traumland England und dessen stets im Auge des Betrachters liegende Schönheit greift er zur Mundharmonika. Das klingt windschief – und wunderschön. Die beiden Tänzerinnen zelebrieren dabei eine Art Bändertanz mit zwei Laken, auf die der Union Jack gedruckt ist, die jugendlichen Fans in den ersten Reihen liegen sich in den Armen.

Am Ende wirft Doherty sein Handtuch in die Menge, seine Geschenke nimmt er mit. Die Schritte, mit denen er die Bühne verlässt, sind leichter als jene, mit denen er sie betrat. Ein eindrucksvoller Beweis, dass mit diesem Künstler noch zu rechnen ist. Jochen Overbeck

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