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Kultur: Musik in Berlin: Chorlossal!

Der Star des Abends steht schon vor Daniel Barenboim und den Solisten auf dem Podium: Orfeón Donostiarra. Ein Wunderbarde aus dem Baskenlande?

Der Star des Abends steht schon vor Daniel Barenboim und den Solisten auf dem Podium: Orfeón Donostiarra. Ein Wunderbarde aus dem Baskenlande? Nein, der wohl beste Chor Spaniens. Ihm werden in der ausverkauften Philharmonie nach der f-moll-Messe von Anton Bruckner die Bravos gelten. Nur ihm.

Bruckners letzte und prächtigste Messe ist eine Herausforderung. Das Orchester schwankt zwischen Chorbegleitung und sinfonischem Aufbegehren. Barenboim entscheidet sich für letzteres. Weil der Klangzauber vieler späterer Sinfonien noch fehlt, setzt er auf orchestrale Kraft. In den glaubenssicheren Unisono-Gängen der Streicher überzeugt das, aber das ornamentale Rankenwerk zahlreicher Soli droht die Hauptstimmen zu überwuchern. Klug setzt Barenboim dagegen die eingeschränkte Dynamik und eine gliedernde Agogik dazu ein, Gloria und Credo vor dem Auseinanderfallen zu bewahren. Im Benedictus und Agnus Dei wendet er Kraft in Intensivität, singt die Adagio-Seligkeit in den Celli voll aus. Der Chor bleibt trotzdem die Hauptperson. Er schenkt sein wunderbares piano auch dann, wenn das Orchester ungebührliches Forte bietet. Diesem Chor, der durch die wild modulierende Gloria-Fuge so mir nichts dir nichts durchspaziert, kann man blind sein Vertrauen schenken - und wird dafür bis in das hohe B der Soprane mit stimmlicher Homogenität belohnt. Die Solisten nimmt Bruckner an die kurze Leine. Allenfalls im "Et incarnatus est" darf Christoph Prégardien seine lyrische Liedkunst beweisen. Neben Rosemarie Lang und Robert Holl gelingt es vor allem ihm und der mädchenhaft-hell intonierenden Dorothea Röschmann, sich dem seraphischen Chorklang anzugleichen.

Vor den Bruckner-Koloss setzt Barenboim Schönbergs Fünf Orchesterstücke op. 16. Hier heißt voller Einsatz voller Gewinn. Nachdem die Philharmoniker zu musikantischer Selbstverständlichkeit gefunden haben, ist alles eitel Freude über so viel freitonale Orchesterkantilenen und apart getönte Mischklänge. Hätte doch Bruckner in seiner Messe Haupt- und Nebenstimmen mit so unübersehbaren Zeichen versehen wie Schönberg!

Felix Losert

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