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Sampa the Great.

© Lorma Vista Recordings

Neues Album von Sampa the Great: Musik für die Welt

Rapperin und Sängerin Sampa the Great stellt auf ihrem zweiten Album „As Above, So Below“ die Grenzenlosigkeit ihrer Kreativität unter Beweis.

Unter „World Music“, oder eben zu Deutsch: „Weltmusik“, wurde als Genrename lange, ach, wird immer noch alles zusammengefasst, was den engen Rahmen eurozentrischer, von US-amerikanischem Pop geprägter Musik sprengt. „Weltmusik“, das riecht nach besten Vorsätzen, die aber darin münden, dass Künstler*innen aus dem globalen Süden auf ihre Herkunft reduziert, aber nicht nach ihrer künstlerischen Praxis beurteilt werden, ihrer Klangfarbe, ihrem musikalischen Zeichenrepertoire.

Der Begriff schnürt ein enges Korsett, dem Musiker*innen lange mit Klischees des „Fremden“ zu entsprechen versuchten, sowohl was ihren Sound, die Themen, aber auch visuelle Aspekte von Performance bis Outfits anging.

Erfunden wurde der Begriff als Marketingtrick von britischen DJs und Labelbesitzer*innen, um Rockbands aus dem afrikanischen Kontinent zu vermarkten und einen festen Platz in Plattenläden zu verschaffen. Kritik aber gab es schon fast genauso lange, wie „Weltmusik“ Plattenregalmeter belegt, 1999 etwa schrieb Talking-Heads-Frontmann und Labelgründer David Byrne in der „New York Times“: „Ich hasse Weltmusik“.

Der Begriff baue ein „wir“ und „die“ auf, exotisiere und ghettoisiere einen Großteil der weltweit produzierten Musik. Er zementiere die Hegemonie westlicher Popkultur, statt zu ermöglichen, dass Musik aus anderen Kulturen sich mit den eigenen musikalischen Traditionen zu etwas neuem verbinde und unser aller Horizont weite.

Damit war und ist Byrne nicht allein, immer mehr Musiker*innen verweigern sich dem Überbegriff. Und die musikalische Gegenwart? Hat sich sowieso schon längst von derlei Einschränkungen verabschiedet. Denn was bedeutet „Weltmusik“ schon in einer ebenso globalisierten, wie auch zutiefst individualisierten Welt?

In der Playlists jedes nischige Soundexperiment zum eigenen Genre erheben und jeder Klang der Welt nur ein sekundenkurze Suche im Katalog der Streamingdienste entfernt ist? Was bedeutet Weltmusik in einer Welt, die zu zerreißen droht und gleichzeitig enger aneinanderhängt als je zuvor?

Wie es klingt, wenn solche Sammelbegriffe selbstbewusst in die Tonne gekickt werden und die multiperspektivische Gegenwart in allen ihren Aspekten umarmt wird, zeigen heute HipHop-Künstler*innen aus Nigeria oder Ghana, feministische japanische Punkbands oder Tuareg-Rockkollektive. Und besonders eindrucksvoll eine junge Rapperin, deren Vita Grenzen ebenso transzendiert wie Genres: Sampa the Great.

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Geboren wurde Sampa Tembo, wie sie bürgerlich heißt, 1993 in Sambia als fünftes Kind einer Tänzerin und Teilzeit-DJs, die ihr musikalisches Talent förderten. Sie wuchs in Botswana auf, studierte in San Francisco, Los Angeles, und zuletzt in Sidney und Melbourne, wo sie bis heute lebt. Ihr erstes Mixtape „The Great Mixtape“, sorgte 2015 für Aufmerksamkeit insbesondere in der Schwarzen Community und Musikszene Australiens.

Der Erfolg führte bald zu weiteren Veröffentlichungen, Kollaborationen mit internationalen Künstler*innen wie der britischen Sängerin Estelle und Preisen wie dem australischen AMP. Den gewann sie 2019 für ihr Debütalbum „The Return“, wie auch eine Reihe weiterer Auszeichnungen und wohlwollende bis begeisterte Kritiken aus aller Welt.

Auf nahezu jedem Stück auf „The Return“ arbeitete Sampa the Great mit Künstler*innen aus Afrika und der australischen wie auch globalen afrikanischen Diaspora. Das Ergebnis war ein mehrstimmiger Sound, der ihre intelligenten Beobachtungen und Analysen zu Rassismus, Geschlechtergerechtigkeit und afrodiasporischer Selbstermächtigung um andere Perspektiven, Klangfarben, Horizonte ergänzt.

Ihr zweites Album „As Above, So Below“ (Loma Vista Recordings), das gerade erschienen ist, vertieft diese Entwicklung. Sie kollaboriert mit gefeierten US-Rappern wie Denzel Curry, Kojey Radical oder Joey Bada$$, aber auch mit der panafrikanischen Popkönigin Angélique Kidjo aus Benin oder Rapper Chef 187 aus Sambia.

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Wo es „The Return“ noch an Dringlichkeit und vielleicht auch an Selbstsicherheit fehlte, strömt sie nun auf dem Nachfolger aus Sampa the Great nur so heraus: „Ich habe keine Angst mehr, zu meiner Identität zu stehen“, sagt die Künstlerin über das Album. Das zeigt sich zum Beispiel im Einfluss von Zamrock, der parallel zu Afrobeat in Sambia entstandenen Antwort auf Garagerock, die einst wie so viele andere musikalische Spielarten aus dem globalen Süden unter „World Music“ zusammengefasst wurde.

Sampa verweist immer wieder auf ihn, so etwa in Songs wie dem herrlich dreckigen Rockstück „Can I Live“. Ihr neugefundenes Selbstbewusstsein drückt sich aber auch in entwaffnend ehrlichen Selbstbetrachtungen wie „Imposter Syndrome“ aus und in Lyrics auf Wemba, einer in Sambia, Kongo, Botswana und Tansania gesprochenen Bantu-Sprache. Stücke wie die geradezu filmische Single „Bona“ mit seiner treibenden Basslinie zelebrieren die Vielfalt der musikalischen Geschichte und Gegenwart ihres Heimatkontinents.

Dabei braucht sich Sampa the Great auch nicht zu verstecken, was ihre lyrischen Fähigkeiten als Rapperin angeht, aber auch die Wandelbarkeit ihrer Stimme. Auf dem Eröffnungsstück „Shadows“ beeindruckt sie zum Beispiel – begleitet von minimaler Instrumentierung – mit Wechseln zwischen tiefer, kratziger Dämonenbeschwörung und heller Kopfstimme. Erinnerungen an Nicki Minajs unerreichte Meisterleistung auf dem Kanye-West-Stück „Monster“ von 2010 sind da nicht weit.

Wer braucht im Jahr 2022 Genrebezeichnungen wie „Weltmusik“? Sampa the Great sicherlich nicht. Ihre Musik steht fest auf dem Fundament ihrer Identität als sambisch-australisch-internationales Kind des Internets, mit offenem Geist und offenen Armen für die ganze Welt.

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