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Das Kuss Quartett

© Molina Visuals

Kuss Quartett im Pianosalon: Sphärengesang

Tropische Hitze, temperamentvolles Musizieren: Das Kuss Quartett spielt Beethoven im Pianosalon Christophori.

Die Luft steht, es herrschen tropische Temperaturen unter dem Blechdach des Pianosalons Christophori mit seinen durch Luftpolsterfolie abgedichteten Fenstern. Ein paar Ventilatoren mühen sich ab, die alten Flügel stehen dicht gedrängt auf dem Podium unter Bakelitlampen und Gründerzeit-Leuchtern, mit aufgeklappten Deckeln, als schnappten sie nach Sauerstoff. Ein aus der Zeit gefallener Raum, und die Musik tut es ihm gleich.

Die Luft steht auch im Mittelsatz von Ludwig van Beethovens spätem Streichquartett a-Moll op. 132. In zähen Sekundschritten schieben die Töne sich zueinander und aneinander vorbei, zögernd, tastend, dann wieder mit kontemplativer Intensität. Ein Choral in der Hitze, das Kuss Quartett zelebriert himmlische Ruhe. Beethoven hat dem Satz das Motto „Heiliger Dankgesang eines Genesenen an die Gottheit“ verliehen, er war krank bei der Komposition. Gregorianik und Sphärengesang schwingen mit, barocke Formen, Passacaglia-Anmutungen, die diskret wieder verworfen werden. Nach einer Weile erweist sich das Gebet als Quell heiteren Melodienwerks, aber das legt sich bald wieder.

Den Finalsatz spielt das Quartett auswendig

Die Kuss-Quartettisten – Spezialität Konzeptkonzerte und Klassikaufführungen an nichtklassischen Orten – haben sich in dieser Saison den Marathon aller 16 Beethoven-Quartette vorgenommen. An diesem Mittwoch spielen Jana Kuss, Oliver Wille, William Coleman (Bratsche) und Mikayel Hakhnazaryan (Cello) im Pianosalon aus den mittleren Werken unter anderem das Harfenquartett, außerdem op. 130 samt der Großen Fuge. Am Sonnabend eröffnen sie die Sommerlichen Musiktage Hitzacker: Zusammen mit Nicola Hümpel von Nico and the Navigators „performen“ sie op. 135, bewegen sich frei musizierend frei über die Bühne. Im Pianosalon machen sie als Zugabe eine erste Probe aufs Exempel, spielen den Finalsatz auswendig, das berühmte „Muss es sein?“-Motiv, einander ungemein zugewandt, voller Elan und Temperament.

Bei Opus 127 zu Beginn des Abends vermisste man die Einmütigkeit. Dass ohnehin zerklüftete Es-Dur-Quartett bräuchte einen langen Atem, einen die kleingliedrigen Motive, zackigen Tempowechsel und Stimmungsschwankungen überwölbenden Bogen. Hier jedoch gilt’s dem Augenblick: Primgeigerin Jana Kuss mahnt die Kollegen zu überscharfen Akzenten, die Tutti-Schläge und -Punktierten geraten zur kollektiven Disziplinarmaßnahme. Aber die Umschwünge von fahl bis eruptiv bräuchten eben eine Dramaturgie fürs Ganze – und etwas mehr Intonationssicherheit bei den virtuosen Stellen. Der „Dankgesang“ nach der Pause entschädigt dafür.

Das Quartett setzt seinen Beethoven-Zyklus diesen Mittwoch im Pianosalon fort, Infos: www.konzertfluegel.com

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