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Kultur: Tastenraser

Murray Perahia und die Berliner Philharmoniker.

Herzen standen still, Münder offen, als Murray Perahia, in dieser Saison Residenzsolist bei den Berliner Philharmonikern, zum Schluss-Stretto in Brahms’ 1. Klavierquartett ansetzte und die Hände in unerklärlicher, unfassbarer Weise über die Tasten rasten, zwischen Akkordsprüngen und perlenden Läufen keine Bruchsekunde verirrt. Dann raste das Publikum im Kammermusiksaal – im kollektiven Stehen. So etwas hat man hier lange nicht gehört. Perahia bewies seine Klasse nicht durch seine selbstverständliche Virtuosität, sondern durch eine unglaubliche dynamische und farbliche Differenzialität, die noch in den halsbrecherischsten Passagen den musikalischen Faden nie verlor.

65 und kein bisschen altersmüde nach einer längst erfüllten Karriere – das muss Perahia erst einmal jemand nachmachen! Wie präzise er seine brillante Technik und seinen zauberhaft federnden Anschlag einzusetzen weiß für eine musikalische Logik des Aufbaus, da haben wir es mit ganz großer Kunst zu tun.

Dieser Mann weiß, was er will. Dazu gehört sicher nicht, in der etwas knalligen Akustik (ein halb geöffneter Steinway hätte es sicher auch getan) die philharmonischen Partner an die Wand zu spielen. Es ist verzeihlich, aber unüberhörbar, dass sie Musiker eines Orchesters sind, selbst wenn das zur Weltspitze gehört. Kammermusik braucht aufeinander eingespielte Musiker, Souveränität entsteht erst durch blindes Vertrauen. Und da wird auch bei Philharmonikern nur mit Wasser gekocht. Wirklich überraschen kann nur Sarah Willis, die ihren Hornklang auch im Kammerpiano in allen Farben aufscheinen lassen kann. Christian Schmidt

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