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Beste Freunde? Hubert Seipel präsentiert 2016 Wladmir Putin sein Buch „Putin: Innenansichten der Macht“.

© imago/Russian Look/imago stock&people

Update

Reaktionen auf Seipel-Enthüllung: Publizistischer Betrug

Fernsehjournalist und Autor Hubert Seipel ließ zwei Bücher über Russland und Putin von Kreml-Oligarchen sponsern.

600.000 Euro. So viel Geld soll Hubert Seipel von einer Briefkastenfirma des Kreml-nahen Oligarchen Alexej Mordaschow bekommen haben. Mit den Zahlungen sollen Buchprojekte über Russland und Putin gefördert worden sein. Dies zeigen Recherchen von „Spiegel“ und ZDF. Hubert Seipel ist kein Niemand, sondern ein bislang renommierter Fernsehjournalist und Buchautor, ausgezeichnet unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis..

Publizistischer Betrug

„Hubert Seipel hat die Redaktionen, mit denen er zusammengearbeitet hat, schwer getäuscht und damit auch die Zuschauerinnen und Zuschauer wie auch die Leserinnen und Leser“, erklärte Christoph Schmitz, für Medien zuständiges Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Seipels Verlag und der NDR gingen zu Recht gegen solch einen publizistischen Betrug vor. Seipel habe in der Vergangenheit auf entsprechende kritische Nachfragen Zahlungen stets ausgeschlossen, was sich aufgrund der Rechercheergebnisse nun als unrichtig darstellte.

Geldzahlungen, offene oder verdeckte, von interessierter Seite für Berichterstattungen oder zur Unterbindung von Veröffentlichungen sind laut ver.di nach den Berufsstandards aus dem Pressekodex oder der internen Richtlinien des NDR nicht zulässig.

Aus Sicht von Schmitz stellt das bekannt gewordene Zustandekommen der mit erheblichen finanziellen Zuwendungen geförderten Buchprojekte von Hubert Seipel einen Verstoß gegen die Berufsgrundsätze dar, die etwa im Pressekodex als unehrenhaftes und berufswidriges Verhalten bezeichnet werden, wenn für die Verbreitung von Nachrichten Bestechungsgelder angenommen werden.

Hubert Seipels Reaktion - „Ein Schreiben, acht Seiten“ beschreibt der „Spiegel“ so: „Der Tonfall wechselt, mal ist er aggressiv, meist selbstgerecht, an manchen Stellen wird es wirr. Es ist die lange Erwiderung auf Fragen, die Spiegel und ZDF dem Absender gestellt haben, ohne dass er diese wirklich konkret beantwortet. Stattdessen verweist der Mann vor allem auf seine Filme und Bücher, auf sein ganzes Lebenswerk, das nun keines mehr sein dürfte.“

Ina Ruck ist geschockt

Ina Ruck, langjährige ARD-Korrespondentin in Moskau, sagte dem Tagesspiegel: „Es hat offenbar Methode, dass der Kreml so operiert – an den Fachleuten vorbei. Nicht nur in Deutschland.“ Der Kreml umgehe Russlandkorrespondenten oder -expertinnen und biete lieber weniger mit dem Land Vertrauten exklusive Bilder oder exklusiven Zugang zum Präsidenten. „Das ist verlockend“, sagte Ruck, „und es verfängt.“ Dass dem Kreml solche Manöver viel Geld wert seien, dürfte eigentlich nicht überraschen. „Ich war dennoch geschockt. Unfassbar.“

Die Putin-Nähe des Journalisten Hubert Seipel soll der ARD schon vor Jahren bekannt gewesen sein, sagte der frühere Moskau-Korrespondent Udo Lielischkies zu „Bild“. Eine vom NDR beauftragte „auffällig kritiklose“ Putin-Doku von Seipel habe zu Verstimmungen mit dem WDR geführt, der das Studio Moskau verantwortet. Aus früheren Angeboten des Kremls habe man gewusst, „dass Gazprom und der Kreml die Kontrolle über das Material und den fertigen Film wollten“, sagte Lielischkies.

Das Grimme-Institut prüft unterdessen eine Aberkennung eines Preises für Hubert Seipel an. Dies kündigte Direktorin Frauke Gerlach gegenüber dem Branchendienst DWDL an. Seipel hatte 2005 einen Grimme-Preis für seinen Film „Leben und Sterben in Kabul“ bekommen. 

Hubert Seipel ist der erste bekannt gewordene Fall eines einflussreichen westlichen Journalisten, der mit großzügigen und vor allem heimlichen Geldflüssen aus Russlands Elite um Präsident Putin bedacht wurde. Und natürlich stellt sich die Frage, ob Seipel der einzige bleibt.

Putinfluencer

Der Kreml setzt längst nicht mehr nur auf verdeckte Propaganda. Europaweit sind Bloggerinnen und Blogger unterwegs, um in sozialen Medien prorussische Desinformation zu verbreiten. „Zeit campus“ nennt beispielsweise Alina Lipp, deutsche Nachhaltigkeitswissenschaftlerin, Liu Sivaya, russische Politologin in Madrid, und Vittorio Rangeloni, italienischer Vermessungsingenieur. Wenn die „Putinfluencerin“ Lipp sich bei Youtube meldet, dann heißt es in ihrem Video: „Die Russen sind nicht die Bösen. Die Russen nehmen, platt gesagt, den Nazis die Waffen weg.“

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